Fremdgehen verboten

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by lese_zeichen

Story

“Wir wissen alles” sagte eine mir fremde Frau recht aufgebracht am Telefon. Dabei war mein Tag bis eben noch herrlich idyllisch. Die Sonne schien, der Himmel war blitzblau, die Temperatur war grad richtig, die Vogerl zwitscherten und meine Tochter und ich pflückten einen bunten Blumenstrauß.

Bis mein Handy läutete. Erst dachte ich, die Frau hatte sich verwählt, als sie aber meinen Namen sagte, war klar, dass sie niemand anderen meinen konnte. “Was wissen Sie denn“, fragte ich vorsichtig .

“Dass Sie mit meinem Schwiegersohn eine Affäre haben” sagte die Stimme am anderen Ende laut und bestimmt.

“Aha, und woher wissen Sie das?” fragte ich ehrlich interessiert. ”Na, meine Tochter hat die e-mails auf seinem Computer gefunden, mein Schwiegersohn ist nämlich grad auf Geschäftsreise, Sie brauchen es also gar nicht abstreiten, wir haben es schwarz auf weiß.”

Interessant, denke ich. Die eigene Ehefrau kontrolliert den Computer des abwesenden Ehemanns. Vertrauen schien nicht unbedingt die Basis ihrer Beziehung zu sein.

“Und was hat ihre Tochter herausgefunden?” wollte ich wissen.

“WIR haben herausgefunden, dass Sie sich mit ihm im Hotel treffen, so wie letztes Mal. Und übrigens, nennen Sie meinen Schwiegersohn gefälligst nicht Schatz“, keifte sie.

Eine Frage drängte sich im Laufe des Gesprächs auf: warum rief meine Kontrahentin eigentlich nicht selbst an, sondern schickte ihre Rottweiler-Mom vor?

“Ich möchte, dass Sie ihn gefälligst in Ruhe lassen”, unterbrach sie meine Gedanken in einem Befehlston, der keine Widerworte duldete. So mussten sich früher Feldwebel angehört haben, kam mir kurz in den Sinn. Haben Sie das VERSTAN-DEN!?!

“Ja, aber wen soll ich denn überhaupt in Ruhe lassen”? fragte ich hilflos ins Telefon.

Als sie den Namen ihres Schwiegersohns nannte, musste ich lauthals lachen, was meine Gesprächspartnerin kurz verstörte und dann hörbar ärgerte. Es war nämlich der Name meines Mannes!

Die Frau in der Leitung fragte mich, ob ich einen Vogel hätte. Und ob ich öfter Affären mit braven Ehemänner anfangen würde.

Endlich machte es in meinem Kopf “klick” und die Puzzleteile ergaben ein komplettes Bild: etwa eine Woche zuvorschrieb ich folgende e-mail an meinen Mann:

Lieber Schatz, ich hab alles organisiert, wir treffen uns am 3. am Abend in Wien. Hotel wie letztes Mal. Bussi M.

Wie sich herausstellte, hatte ich aus Unachtsamkeit die Endung gmx.net statt gmx .at in die Empfängerzeile eingetippt. Offensichtlich kam die email zum Namenszwilling meines Mannes bzw zu seiner aufmerksamen Frau. Und mit der Signatur hatte die resolute Schwiegermutter dann auch gleich meine Telefonnummer.

© lese_zeichen 2021-04-03

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