Friedenslicht

Gerhard Hirschl

by Gerhard Hirschl

Story
2023 – 2024

Das Friedenslicht wird jedes Jahr von Jerusalem in die ganze Welt versandt. Am Heiligen Abend ist es dann – zumindest in Österreich in allen Gemeinden angelangt.*1) Auch hier in dieser kleinen Gemeinde kann man es um die dritte Stunde (das ist ab neun Uhr Vormittag) von der Feuerwehr abholen. Bei der Feuerwehr treffen dann alle möglichen Leute ein, geben eine kleine Spende und tratschen miteinander. Ereignisse vom vergangenen Jahr, Einsätze und manch anderes kommt da auf. Die Spende wird für einen sozialen Zweck verwendet.

Nach dem Besuch bei der Feuerwehr wird die Laterne mit dem Licht nach Hause getragen, und da steht dann die Laterne den ganzen 24. Dezember bis zum Abend oder so. Ich weiß nicht, was in den Häusern und Wohnungen mit den vielen Kerzen und Laternen am 24. Dezember und vielleicht auch danach passiert. Gehen die Kerzen mangels Brennstoff selbst aus? Werden sie rechtzeitig wegen der Brandgefahr ausgeblasen? Ich habe mir einen eigenen Ritus für das Friedenslicht zu Recht gelegt. Der Gedanke dahinter ist der eines weiter tragen des Lichtes. Der des weiter tragen des Friedensgedankens in das neue Jahr hinein. Ab diesem Punkt wird es allerdings etwas mühsam. Die Kerzen brennen nieder und drohen auszugehen. Nimmt man eine brennende Kerze aus der Laterne, schüttet man meist das flüssige Wachs aus. Die Flamme muss also mir einem Streichholz von der brennenden Kerze auf die nächste Kerze übertragen werden. Einfach extra anzünden geht nicht, weil es dann nicht mehr dasselbe Feuer ist.

Die Laterne steht im Stiegenhaus und jeder Besuch kommt an diesem Friedenssymbol vorbei. Achtung auf die Kinder! Keine unsinnige Spielerei soll das Licht ausgehen lassen. Es kommt manch anderer Besuch. Gefragt wird eigentlich nicht. Jeder kennt diesen Brauch. Warst Du schon mit dem Hund draußen? Er muss noch gefüttert werden! – Auch solche Zwischenrufe halten mich nicht davon ab, die niedergebrannte Kerze zu wechseln. In diesen Tagen geht es darum, Besuche zu machen, oder zu Neujahr einzuschätzen, wie lange die Kerze noch brennen wird. Dann setzt sich in den Gedanken fest, wozu das Ganze gut ist. Nicht die Kerze ist es, es ist der Friede selbst, an welchen immer wieder gedacht werden muss. Er darf nicht vergehen wegen einer Unachtsamkeit. Der Friede braucht immer wieder frische Nahrung. Er will nicht im Vorbeigehen beachtet sein, der Friede braucht immer wieder aktive Zuwendung.

Erst im neuen Jahr wird vielleicht gefragt, warum die Laterne noch immer da steht. Dann, am Dreikönigstag ist es dann so weit. Der Besuch der Sternsinger zeigt mir an, dass das Friedenslicht in diesem Haus angekommen ist. Die drei Könige sind ja auch solche Lichtträger. Das Friedenslicht kann weggeräumt werden – bis zum nächsten 24. Dezember.


Gedanke des Schelms:

*1) Ist ja fast wie das olympische Feuer, sagt der nur am sportlichen Interessierte.

© Gerhard Hirschl 2024-01-02

Genres
Novels & Stories
Moods
Emotional, Inspirierend, Reflektierend
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