Endlich angenehmes Frühlingswetter. Josef war ein Friedhofsfreak und fand, dass im Frühjahr die angenehmste Zeit für einen Friedhofsbesuch sei.
Auch wenn Sterben hier genauso schmerzhaft, traurig und furchterregend ist wie überall auf der Welt, wird der öffentliche Umgang am Wiener Zentralfriedhof demonstrativ lässig und entspannt zelebriert. So, als sei das Ganze eigentlich ohnehin eine Gaudi.
Die städtische Bestattung Wien hat daraus geradezu eine Kunst gemacht. “GUTE UNTERHALTUNG BIS ZUM SCHLUSS” ist einer ihrer Werbesprüche und “MIT UNS KRATZEN SIE BESSER AB” ließen die Pompfüneberer auf Eiskratzer für Auto-Windschutzscheiben drucken. Mir gefielen diese doppeldeutigen Sprüche. Im Museumsshop herrschte Besucherandrang nach diesem neuesten Artikel. Über den Tod lachen zu können, nimmt den Lebenden den Schrecken davor, auch wenn sie wissen, dass er sie auch irgendwann holen kommt. Die Bestattungsunternehmen heißen hier humorvoll “BABA” oder “HIMMELBLAU”.
Die Konditorei bot Sachertorte und Gugelhupf an und man stärkte sich neuerdings mit Bratwurst und Schnaps beim Tor 2, der bereits im Winter das Fingerfood-Standl “EH SCHO WURSCHT” eröffnete. „Weil des Wiener Bier, des ist generell scheiße“, war Josefs Argument. “Eh scho wuascht” für den Würstelstand ist meine Art von Humor. Rund 6 bis 7 Euro muss man für ein Würstel dort lassen. „Wenn ich wie der Austrofred noch in Schilling rechne, ziagt’s ma echt de Bock aus“, ärgerte sich Josef. „Wenn schon schwarzer Humor, dann bitte sowas wie: Hergestellt aus Fleisch aus der Region, praktisch frisch aus dem Garten.“
Einige Touristen machten Selfies mit Quiqui, dem Wiener Todesmaskottchen, einem überdimensionalen Sensenmann.
Für Josef und mich ist der Zentralfriedhof eine Oase in der Stadt. Alles wuchs, grünte und blühte. Läufer:innen trainierten zwischen den Gräbern und ein eigener E-Linienbus, genannt der Witwenexpress, fährt auf dem Areal 19 Stationen an.
Josef und ich flanierten durch die Allee. Durch die stetige Bepflanzung und Neugestaltung ist der Friedhof heute eine riesige Parkanlage. Neben den Dohlen, die sich hier in einer Allee angesiedelt haben, begegneten wir auch Feldhamstern. Wir ließen uns auf einer Bank, abseits der Hauptwege nieder. Eine Maus erschrak und flüchtete wenige Meter vor uns in ein Erdloch. Den Friedhof besuchen nicht nur Trauernde. Er lädt auch alle anderen zu einem ruhigen Spaziergang ein, bei dem es nicht nur teils skurrile Grabsteine zu entdecken gibt. Tod und Leben stehen hier ganz nah nebeneinander. Zum Abschluss spazierten wir noch in den Naturgarten. Hier gab es auch Bienen, von denen es einen eigenen Friedhofs-Blütenhonig zu kaufen gibt. Nur im hinteren Teil hörte man das monotone Rauschen des Autoverkehrs von der Südosttangente und das leise Brummen der Flugzeuge, die Richtung Westen flogen.
Foto: Pixabay
© Margaretha Husek 2023-04-23