Froschkönig – Teil 3

LisaGlücklich_amWeg

by LisaGlücklich_amWeg

Story

Ich genieße einen wundervollen Sommer. Nun ist es Herbst und ich bin gerade in der Buchhandlung auf der Suche nach Lesestoff für meinen bevorstehenden Italienurlaub. Ich freue mich auf die langen Strandspaziergänge, auf das spätsommerliche Reckeln auf einer Decke am Strand mit einem tollen Buch in der Hand! Ich habe meinen Schmöker gefunden und stelle mich gerade an der Kassa an, als ich ihn da hocken sehe. Gleich neben der Registrierkasse an der Seite der Verkäuferin. Er kniet mit einem Fuß am Boden, den zweiten Fuß hat er aufgestellt. Seine linke Hand ruht abgewinkelt auf dem Oberschenkel des aufgestellten rechten Beines. Der Ellbogen der rechten Hand ist auf genau demselben aufgestützt. Das Kinn liegt in seiner Handfläche. Er ist von großer, extrem schlanker Statur und hat lange, schlaksige Gliedmaßen mit schmalen Händen. Wie jemand sie hat, der in seinem Leben noch nicht viel körperlich gearbeitet hat. Sein Blick scheint in die Ferne gerichtet. Ein „Denkerfrosch“ fällt mir bei seinem Anblick ein. Fast habe ich nicht bemerkt, dass mich die Verkäuferin anspricht. „Guten Tag, dieses Buch hier? Ist das alles?“ „Nein, das ist es nicht! Diesen Frosch hätte ich noch gerne. Ja, bitte ein Sackerl, danke und auf Wiedersehen.“ höre ich mich trällern.

Von nun an hockt Froschkönigs Nr.3 mitten auf dem Wohnzimmertisch. Manfred, meine neue Bekanntschaft ist Arzt. Ein Kieferchirurg. Wir schreiben uns bereits seit Wochen auf einer Singlebörse. Manfred hat eine eigenwillige Art zu schreiben. Seine E-Mails, und später auch seine SMS, gehen immer über einige Seiten. Er kann derart mit Worten jonglieren, dass er mich jedes Mal zum „Dahinschmelzen“ bringt. Wegen seines blumigen, vor Komplimenten strotzenden Schreibstiles, nenne ich ihn „Don Juan“. Seine Worte haben etwas eigenartig Altertümliches an sich, dennoch schmeicheln sie mir. So und nicht anders musste sich Julia gefühlt haben, als Romeo um sie buhlte. Ich genieße es, wenn mich Manfred „oh du meine Blume“ nennt. Auch wenn mein langjähriger Freund Wolfgang, nachdem ich ihm stolz einige Zeilen aus Manfreds wunderschönen SMS vorlese, aufklärt, dass dieser in Bezug auf mich wohl nur eine Distel gemeint haben kann. Und ob ich wohl wüsste, dass diese nämlich auch eine Blume sei. Ich bin noch nicht dazu gekommen mir Manfreds Singlebörse-Profil genauer anzusehen, da ich in letzter Zeit arbeitstechnisch ziemlich eingedeckt bin. Wie ich jetzt beim Durchlesen feststelle, liebt er Klettern und Wandern. So war das Bild, dass er dazu gepostet hat, nur naheliegend. Dennoch erschrecke ich, als ich Manfreds Foto sehe. Mit einem Rucksack bestückt, kniet da ein schlanker, der Pubertät bereits etwas entwachsener Mann, vor einem Felsen. Einen Fuß hat er am Boden, den zweiten aufgestellt. Seine linke Hand ruht abgewinkelt auf dem Oberschenkel des aufgestellten rechten Beines. Der Ellbogen der rechten Hand ist auf genau demselben Bein aufgestützt. Das Kinn liegt in seiner Handfläche und sein Blick ist in die Ferne gerichtet.
Das ist der Moment, an dem mir die ganze Frosch-Geschichte nicht mehr ganz geheuer vorkommt. Kann es sein, dass meine Froschkönige adäquate Männer in meinem Leben ziehen?
Schon das erste Date mit Manfred ist ungewöhnlich. Wir treffen uns im Wanderoutfit zu einer Tour auf den Grazer Hausberg, dem Schöckel. Das ist nicht die Destination, an der man „aufgebrezelt“, mit atemberaubend schönem Kleid und sexy High Heels, punkten kann.

© LisaGlücklich_amWeg 2020-09-09

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