âLuxus purâ, sprach Karin und sprang nackt ins Biotop.
Schwester Anna schenkte mir zum Einstandsfest ein ApfelbĂ€umchen, Sorte âMartin Lutherâ. Und Axel, mein Schulfreund konstatierte: âGrĂŒnzeug. Reine Geldverschwendung!â Seinerzeit war er an Mathe gescheitert. Heute ist er Makler und berechnet, wie viel Geld mir monatlich durch meinen Garten verloren geht.
Die Liebe zum Garten verdanke ich meiner Mutter. Eines Abends erzÀhlte sie mir, wo ich gezeugt worden war: im MarkgrÀflerland. In einer Julinacht. Mitten im Dorf. Im Pfarrgarten.
Diese prÀnatale PrÀgung konnte ich lange nicht ausleben.
Auf der Suche nach einem frei stehenden Haus – Endlich ungestört proben! – stieĂ ich im Zentrum der Peripherie auf eine ĂŒbernutzte Immobilie, Baujahr 1929.
Kinder bewarfen das Haus mit Steinen: âDa wohnt doch keiner mehr!â
Na ja, ein paar SiebenschlÀfer, die FledermÀuse und ich.
Umgeben war das GebÀude von einem geheimnisvollen Garten.
âDas GrundstĂŒck ist was wert!â, stellte Axel fest. âDas Haus kannst wegschieben.â
Ich stĂŒrzte mich in Schulden und Gartenarbeit. SĂ€gte, ackerte und schnitt.
Lernte Demut, Dankbarkeit, Geduld.
Garten in der Stadt: Ein Luxus, von dem jede*r was hat.
Denn im Gegensatz zu einem Ferrari ist mein Luxus sozial.
Als ich einzog, war der Garten von GĂ€rten umgeben. Jetzt wird rundherum gnadenlos gebaut:
Wo frĂŒher ein HĂ€uschen stand, sitzt heute eine Burg mit 20 Luxusapartments plus Tiefgarage.
Und wo der Garten war, kĂ€mpft ein AlibigewĂ€chs ums Ăberleben.
Mein Garten scheint aus der Zeit gefallen: die alte Trauerweide, die groĂe Hainbuche, 15 ObstbĂ€ume,
StrĂ€ucher, Kiwi, Feigen, Weinstöcke, GemĂŒsebeete und ein groĂer Schwimmteich.
Ein Anachronismus mit Zukunft.
Jahr fĂŒr Jahr trĂ€gt er zur Luftverbesserung und in der Sommerhitze zur KĂŒhlung bei.
Und den Blick ins GrĂŒne plus Vogelkonzert bekommt die Nachbarschaft gratis dazu.
Eine Oase.
FĂŒr Augen, Ohren, HĂ€nde, Mund und Nase.
Und es ist noch Platz fĂŒr Baum- und Gartenhaus, Bocciabahn, Bank und Tisch.
In diesem Nutz-, Zier-, Feier-, GemĂŒse-, KrĂ€uter- und Lustgarten leben auch Molche, Libellen, Ringelnattern,
Igel und ein Hornissenschwarm. Der wohnt friedlich im alten Weinfass unterm Stehtisch.
Die Kröte ist tot. Massakriert von Nachbars Katze. Ich bin noch da.
Und Karin? Die schwimmt lÀngst woanders. Auch Axel meldet sich nicht mehr.
Und Martin Luther?
Der wĂŒrde hier zuerst ein BĂ€umchen pflanzen. Und dann die Leute.
© Jörg-Martin Willnauer 2021-04-24