Als ich die St. Nikolai Kirche in Bordelum betrete, fühle ich mich sofort in eine vergangene Zeit versetzt, eine Zeit voller Geheimnisse und Intrigen. Das Jahr 1733, Nordfriesland gehört zum dänischen Gesamtstaat, und doch ist nicht alles ruhig und friedlich. In Bordelum sorgen christliche Sektierer und Schwärmer für Aufsehen. Doch was verbirgt sich hinter den Mauern dieser alten Kirche?
Drei Prediger, angefĂĽhrt von David Bähr, einem selbsternannten Messias, und begleitet von Franziskus Markus Barsenius und Peter Lorenzen, versetzen die Gemeinde in Aufruhr. Ihre Ideen des Pietismus, einer protestantischen Frömmigkeitsrichtung, sind revolutionär und provozieren die Obrigkeit. Die Bordelumer Rotte, wie sie genannt werden, betrachten sich als “Vollkommene”, die keine SĂĽnde mehr begehen können. Doch ihre Lebensweise, geprägt von wilder Ehe und freier Liebe, stößt auf heftigen Widerstand.
Die Obrigkeit ergreift MaĂźnahmen, um die “Rotte” zu unterdrĂĽcken und auszurotten. Zahlreiche Gerichtsverfahren werden angestrengt, und schlieĂźlich wird im Juni 1739 die “Bordelumer Rotte” offiziell verboten. David Bähr flieht, doch wird er schlieĂźlich gefasst und ins Zuchthaus gebracht, wo er seiner zerrĂĽtteten Gesundheit erliegt.
Auch nach Bährs Tod dauert der Kampf gegen die Sekte an, doch die Spuren der Bordelumer Rotte bleiben noch lange Zeit sichtbar. Die Kirche selbst, ein historisches Juwel, erzählt von einer bewegten Vergangenheit. Ihr Flügelaltar und der spätgotisch-friesische Taufstein zeugen von einer Zeit, in der Glaube und Skandale eng miteinander verbunden waren.
Die Bordelumer Heilquelle, nur wenige Meter von der Kirche entfernt, lädt heute zur Besinnung ein. Vor 200 Jahren glaubten die Menschen, sie könnte zu einem bedeutenden Kurort werden, ähnlich wie Lourdes im Süden. Doch auch wenn dieser Traum nie in Erfüllung ging, bleibt die Quelle ein Ort der Ruhe und Erholung, eingebettet in einen Besinnungspfad, der die Besucher dazu einlädt, innezuhalten und über die Geschichte dieses Ortes nachzudenken.
© Willi_Schewski 2024-02-19