Ich hab Euch ja schon vom Friedhof der Namenlosen erzählt. Unter anderem soll dieser Friedhof einer der spukintensivesten Orte Europas sein. Unzählige paranormale Geschichten gibt es darüber. Kurz vor Helloween verbrachte ich einen gemütlichen Abend mit Freundin Bine bei mir zu Hause. Wir sprachen über diesen besagten Spukort mit seinen paranormalen Geschichten. Mir kam die Idee: „Wir fahren dort jetzt hin!“ Doch Bine war nicht so begeistert: „Es ist dunkel!“ „Ja, noch besser, die Geister kommen ja nur Nachts!“ Nach zwei Tassen Glühwein konnte ich sie überreden. Mir wurde schon bei der Zufahrt mulmig, stockdunkel und keine Menschenseele war zu sehen. Vom Parkplatz aus war es noch ein kleiner Fussmarsch bis zum Friedhof, zum Glück hatte ich meine Taschenlampe dabei. Bei jedem Geräusch zuckten wir zusammen. Es war richtig unheimlich, die Getreidesilos machten komische Geräusche und der Mond verschwand im Nebel. „Sollen wir umdrehen?“, fragte Bine. „Nein, das ziehen wir jetzt durch!”
Endlich vor dem Tor stehend, blickten wir auf den kerzenbeleuchtenden Friedhof. Wir nahmen uns tapfer an die Hand und gingen durchs Tor. Bei jedem Geräusch hielten wir uns ganz fest. Wir waren aber auch zwei Hosenscheisser, hauptsache eine große Klappe. Bei Sepperls Grab blieb ich stehen und sprach mit ihm, vielleicht zeigt er mir seine Anwesenheit. Das sagt man ja so mit den verlorenen Seelen, da sie angeblich nicht den Ort verlassen können, wenn sie nicht auf natürliche Weise gestorben sind. Es tat sich nix und ich setzte mich auf eine Holzbank. Ich fragte: „Ist da jemand?“ Nach einigen Sekunden fiel mir eine Kastanie auf den Kopf! „Das war ein Zeichen!“, oder war es Zufall? Bine und ich schlichen noch eine Runde durch den Friedhof bevor wir gingen, vielleicht passiert doch noch was? Ich schoss nebenbei Fotos, die im Nachhinein betrachtet alle unscharf waren. Zufall?
Doch plötzlich! Zeitgleich sahen wir einen riesen großen Schatten, der sich bewegte! Bine schrie und ich rief: „Lauf!“ Wir liefen so schnell wir konnten auf und davon. Ich verlor dabei meine Taschenlampe und Bine flog über Äste in den Gatsch. Wir hatten so Angst, dass wir in sekundenschnelle beim Auto waren. Wir stiegen ein und ich fuhr Vollgas davon! Natürlich in die falsche Richtung, wir bekamen noch mehr Angst. „Sch….. verdammt wo sind wir, ich will hier raus!“, schrie ich Bine an! Endlich war von weitem ein Straßenlicht zu sehen, geschafft!
Zu Hause angekommen, tranken wir erstmal einen Schluck Schnaps. Dann mussten wir so richtig drauflos lachen, denn wir fühlten uns wieder wie Teenager, die vor etwas Angst hatten und davon liefen, wie bei Stranger Things. Bine und ich beschlossen am nächsten Tag, zu Mittag, nochmal hinzufahren. Wir untersuchten den Friedhof und entdeckten den Geist. Er war ein großer, dicker Kastanienbaum mit verschnörkselnden Ästen. Wieder mussten wir herzhaft lachen.
So was aber auch, wenn die Fantasie mit uns Streiche spielt. Wir kommen wieder!
© Yasmin Lohberg 2021-11-16