Vor kurzem entstand beim Lesen einer Geschichte eine interessante Diskussion über die Verwendung von Kraftausdrücken in der Familie. Meistens wird versucht, diese schon wegen der Kinder zu vermeiden. Auch ich kann mich nicht erinnern, dass von meinen Eltern Schimpfworte gebraucht wurden. Vor allem von unserer Mutter, die sich mit sieben Kindern, Haushalt und kleiner Landwirtschaft sehr mühevoll durchs Leben kämpfen musste, hörte ich nie ein böses Schimpfwort.
Beim Lesen der Geschichte bei story.one fiel mir allerdings wieder ein, dass ich auch vor langer Zeit einmal mit solchen Kraftausdrücken konfrontiert war. Das war damals, als ich an einer Privatschule in Wien unterrichtete. Man erwartete von uns vollen Einsatz bei sehr magerer Bezahlung ( 500 Schilling pro Monat!). Als ein Kollege als Sprecher für eine Erhöhung der Besoldung für uns vorsprach, wurde diese zwar widerwillig gewährt, er aber entlassen. Wir konnten auch nicht besonders aufmucken, weil wir wegen der Lehrbefähigungsprüfung zwei Jahre Praxis benötigten. Es gab nämlich nach der Matura keine Anstellung im öffentlichen Schuldienst! Drei Jahre Wartezeit!
Als mich chronische Blinddarmreizungen quälten, musste ich lange überlegen, mich unters Messer zu begeben, um nicht womöglich den Job zu verlieren. Als ich einmal wegen Verdachts auf Typhus in Bad Ischl im Krankenhaus lag, mutmasste man in der Chefetage, dass ich mich eventuell vor der Arbeit drücken könnte! Der Arzt, den ich aufsuchte, drängte aber darauf, dass ich die Beschwerden, die der Appendix verursachte, nicht auf die leichte Schulter nehmen und mich doch operieren lassen sollte.
So begab ich mich ins Krankenhaus zu den Barmherzigen Schwestern. Damit ich nicht zu viel an Dienstzeit verliere, wählte ich als Zeitpunkt die Tage um Allerheiligen. Da ich wegen der Operation nüchtern sein musste, erhielt ich natürlich nichts zu essen. Wegen der Feiertage fand sich auch kein Chirurg für den Eingriff und ich hungerte zwei Tage! Endlich war es so weit! Ein junger, sehr sympathischer Arzt kam zur Tür herein, lächelte mich freundlich an und meinte: “Zeiserl, jetzt wirst g’rupft!”
Die Operation verlief zwar gut, doch hatte ich nachher ziemliche Schmerzen und konnte nur sehr mühselig gehen. Leopold A., ein Zimmernachbar, schaute mich an und sagte in sehr bodenständiger Art: “Du drahst den Hintern wia a Fülmdiva. ‘’ Es war ja wirklich komisch, mich beim Gehen zu beobachten.
Zu der damaligen Zeit war ich ziemlich schlank und wog bei einer Größe von 1 m 76 cm knapp 60 Kilogramm! Das veranlasste den Leopold zu der Bemerkung: “Du host an Oarsch wia a Kraumpnspitz. Waunnst di niedasetzt, bleibst steckn!” Ich nahm es mit Humor, weil es nicht böse gemeint war.
So Deftiges war ich zwar nicht gewohnt, aber heute scheuen sich auch manche Frauen nicht, ungewohnte Kraftausdrücke zu verwenden!
© Hannes Zeisler 2020-09-21