Graue Eminenz und PMS

Sonja M. Winkler

by Sonja M. Winkler

Story

In der kommenden Saison wird die Gelbsucht ausbrechen. Das ist keine apokalyptische Prophezeiung. Auch Farben mutieren. Eine Überschwemmung mit Gelb wird uns ins Auge stechen und Erleuchtung bringen. In einem Magazin, das sich mit Wohntrends und Lifestyles beschäftigt, habe ich gelesen, dass das Jahr 2021 die interessante Kombi zweier Farbtöne empfiehlt, schreiendes Gelb und Mausgrau. Gute Laune und Sonnenschein. Das Grau soll uns jedoch auf den Boden der Realität zurückholen und uns an Rückzug gemahnen. Freilich, denn Corona ist noch lange nicht ausgestanden, auch wenn der Frühling mit seiner bunten Blumenpracht ins Land zieht und es allerorten zu sprießen und knospen beginnt.

Da es schon bei Goethe heißt, grau, treuer Freund, ist alle Theorie, muss ich nun ein wenig ausholen. Ich kann auf die Erwähnung von PMS in diesem Zusammenhang nicht verzichten. Alle, die jetzt auf das prämenstruelle Syndrom tippen, die sind auf dem Holzweg.

Hinter dem Akronym PMS verbirgt sich noch etwas anderes, ein diffiziler Farbfächer, Pantone Matching System genannt, in dem jede Farbnuance eine genaue Zuordnung hat und mit einer mehrstelligen Ziffer eingetragen ist.

Warum ich das weiß? Bei der Millionenshow, der ich allerlei unnützes Wissen verdanke, lautete einmal die Frage, was man unter Pantone 448C versteht. Ich habe mir gemerkt, dass Pantone 448C nachweislich als die hässlichste Farbe der Welt gilt, was in meinen Augen nicht stimmen kann. Denn im Reisepass steht doch: Augenfarbe graugrün. Bei Pantone 448C handelt es sich laut Assingers Spickzettel um den Grünton getrockneter Tabakblätter und frischer Oliven. Na schön, ich rauche nicht, aber ich mag Oliven.

Die Gelb-Nuance der kommenden Saison heißt also Illuminating. Man darf gespannt sein auf die Erleuchtung. Hoffentlich erhellt sich der Geist vieler Menschen. Auch die grauen Zellen mancher grauer Eminenzen gehören entstaubt. There are fifty shades of grey.

Wenn wir schon bei den Farben sind, muss ich die beliebten Liegemöbel im Museumsquartier erwähnen, die sommers Menschen allen Alters zum Chillen einladen. Jährlich wechseln sie die Farbe, die Enzis. “Enzi” ist übrigens ein Eponym, so wie “Duden” und “Zeppelin”. Ihre Namensgeberin ist die 1966 in Linz geborene Daniela Enzi, die zur Geburtsstunde des Möbels vor fast 20 Jahren als Prokuristin im MuQua beschäftigt war.

In welcher Farbe die Enzis der kommenden Saison erscheinen, das wird via Online-Voting erfragt. Immer sind’s klingende Namen, abseits des PMS. Letztes Jahr waren sie libellengrün. 2006 waren sie freudliegenrot. Apropos, Sigmund. Mit orientalischen Läufern in Purpurrot und Zimt belegt, war sie Zeugin zahlloser erotischer Tagträume neurasthenischer Patientinnen. Allerdings steht in der Berggasse 19 nicht die Original-Couch. Wer diese sehen will, muss nach London fliegen. Oops, sorry, no good idea. Travel restrictions.

Statt Ultimate Grey ultimative Maßnahmen.

© Sonja M. Winkler 2021-02-22

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