Grüße aus dem Urlaub

chrissys_welt

by chrissys_welt

Story
Deutschland und die Welt

Ich bin oldschool. Ich schreibe Urlaubskarten. Egal, ob es nur ein paar Tage sind oder zwei Wochen. Die Lieben daheim werden mit Karten bedacht. Karten schreiben war immer fester Bestandteil des Urlaubs. An einem Abend saßen wir zusammen und haben die gekauften Karten geschrieben. Es hat Spaß gemacht, wenn auch die Karten manchmal erst nach unserer Rückkehr ankamen. Die Geste zählte. Damals waren Mobiltelefone mit Kamera und auch das Internet noch weit entfernte Zukunftsmusik. Postkarten waren unser soziales Medium, Teil unseres Netzwerkes. Ich hatte mehrere Kartenalben, in denen die guten Stücke gesammelt und aufbewahrt wurden, nicht in Klarsichthüllen, sondern in vorgestanzte Ecken eingesteckt. Ein paar von diesen Alben haben sogar meine bisherigen Umzüge überlebt. Die tollste Freundin der Welt sagt immer, ich soll mich von dem Kram trennen, die Vergangenheit loslassen. Irgendwo hat sie ja recht. Aber wenn ich dann die alten, teilweise toll fotografierten Postkarten anschaue und die Rückseiten lese, sind das schöne Erinnerungen. Was ich schon als Kind gemacht habe und bis heute praktiziere – ich versuche, auf das Textfeld der Karte so viele Informationen wie möglich unterzubringen. Ich fange normal groß an und werde immer kleiner. Wenn ich von meinem Urlaubsdomizil begeistert bin, möchte ich diese Begeisterung natürlich teilen, soll möglichst viel davon beim Empfänger ankommen. Ich warte mit dem Schreiben einer Urlaubskarte gern ein paar Tage, muss vor Ort erstmal die Lage checken, damit ich weiß, worüber ich schreiben kann. Ganz anders ist da meine Mutter. Gefühlt kauft sie im Hotel gleich nach der Ankunft ein paar Karten, schreibt die noch am ersten Abend, damit sie ja schnell ankommen. Die Informationen sind dann auch eher übersichtlich. Sind gut angekommen. Ein schönes Hotel. Wetter ist toll. Essen schmeckt. Schöne Grüße. Wenn die Karte dann zwei Tage nach ihrem Urlaubsbeginn bei mir ankommt, denke ich mir, woher sie das alles schon wissen will. Besonders schlimm sind die berüchtigten Kreuze auf der Vorderseite, die habe ich schon als Kind nicht gemocht. Es ist mir herzlich egal, ob auf einem Bild ihre Unterkunft oder ihr Zimmer zu sehen ist, ob sie auf den Parkplatz oder auf eine Wiese schaut. Diese Kreuze auf den Bildern schmälern in meinen Augen den Gesamteindruck und irgendwie auch den Wert der Urlaubskarte. Aber da werde ich sie nicht mehr ändern können. Ganz furchtbar sind auch diese Postkarten für Faule, die dann bloß das Zutreffende ankreuzen müssen. Ich finde die kein bisschen witzig. Ich bin aber froh, dass es überhaupt noch Postkarten gibt, die man verschicken kann, mit denen man Freunden oder der Familie eine Freude bereiten kann, immer vorausgesetzt, dass sie sich auch wirklich über ein Lebenszeichen freuen. Besonders in unserer heutigen, hoch technisierten und damit oft unpersönlichen und hektischen Welt sind kleine Urlaubsgrüße eine willkommene Abwechslung im Alltag, lassen uns träumen von anderen Orten, ob nah oder fern. Oder wir freuen uns einfach, dass Menschen, die wir mögen, gerade eine schöne Zeit erleben und an uns denken. Auch wenn der nächste Urlaub für uns selbst noch in weiter Ferne liegt. Ich habe jedoch im Laufe der Jahre gemerkt, wie sich meine Handschrift verändert. Früher war die irgendwie schöner anzusehen. Aber man kann sie trainieren, indem man Grüße aus dem Urlaub verschickt. Es lohnt sich.

© chrissys_welt 2023-06-13

Genres
Travel, Biographies
Moods
Informativ, Unbeschwert, Entspannend
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