Es beginnt meist recht harmlos. Ich gehe mit dem Kopf voller Gedanken und Fragen vor die TĂĽr – und schon steht da jemand mit dem Stein der Weisen in der einen und einer Tasse „Lebensweisheit To Go“ in der anderen Hand. “Du musst einfach mal…”, sagt Mr/s. Allwissend und sieht mich bedeutungsvoll an. Ich lächle und nicke höflich. Innerlich rebelliert jedoch etwas gewaltig in mir: Ja, WIE denn bitte genau? Wenn alles so einfach wäre, wie es von auĂźen aussehen mag, wĂĽrde ich es glatt so machen.
Nicht falsch auffassen – ich bin keine generelle Ratschlag-Verweigerin. Im Gegenteil. Ich liebe kluge Gedanken, gute Ideen, inspirierende Impulse. Ich habe eine ganze Schublade voll davon, schön sortiert, gleich neben meinen To-do-Listen, LebensentwĂĽrfen und gescheiterten Plänen. Aber irgendwann verliert selbst der aufgeschlossenste Geist die Geduld, wenn jede Lebenslage zum Publikumssport wird und vom Spielfeldrand aus jemand ruft: “Lauf doch mal nach rechts!” während ich gerade mit links das Feuer lösche und gleichzeitig versuche, all meine Träume am Leben zu erhalten.
Denn, Überraschung: Ich bin nicht nur Spielerin in meinem Leben – ich bin auch Trainerin, Platzwart, Sanitäterin und manchmal sogar die, die das Netz flickt, wenn es zerrissen ist.
Ich analysiere, reflektiere, optimiere – täglich. Ich erfinde mich neu mit der Hartnäckigkeit einer Software im Beta-Test. Aber was vom Beobachtungsposten oft aussieht wie ein zielloses Herumirren, ist innen ein komplexes System aus Hoffen, Zweifeln und unermüdlichem Dranbleiben.
Und dann kommt wieder jemand. „Du musst einfach mal weniger arbeiten und ein bisschen mehr das genießen.“ Ach so! Genießen! Warum hat mir das denn niemand früher gesagt? Ich dachte, ich probiere es erst mal mit dauerhafter innerer Anspannung in Kombination mit Selbstkritik und emotionaler Tiefsee-Akrobatik! Danke für den Hinweis.
Ich habe gelernt, zuzuhören, versuche nach Möglichkeit nicht zu werten. Die gut gemeinten Ratschläge kommen meist aus dem Fürsorge-Eck. Aber was ich mir manchmal wünschte, wäre kein neuer Plan, keine neue Methode.
Was ich mir wünsche, ist ein Moment der echten Begegnung. Ein Lächeln, das sagt: Ich sehe dich. Kein Analyseblick, kein Optimierungsimpuls. Einfach nur ein „Ich bin da.“
Denn hinter meiner Fassade aus Listen, Leistung und golden Latte Macchiato tobt ein stiller Kampf. Mit mir selbst, mit der Angst, nicht zu genĂĽgen. Mit der Sorge, dass all das Ab- und BemĂĽhen nicht reicht.
Manchmal dürstet mich nach einer Schulter, keiner Meinung. Ein kleines „Ich versteh.“ Und wenn’s ganz gut läuft – jemand, der mit mir in aller Leichtigkeit eine Runde durch die Lüfte tanzt. Ohne mir zu sagen, wie hoch ich zu fliegen habe.
Denn ab und an reicht es, einfach da zu sein. Ohne besser wissen. DafĂĽr einfach besser (ein-)fĂĽhlen.
© Elisabetta_Ardore 2025-05-25