Seit Ende der 50er-Jahre beschĂ€ftigt die Habsburg-Frage und dann -Krise die Republik. Otto (von) Habsburg, der Sohn des letzten Kaisers von Ăsterreich-Ungarn, verzichtet auf seine ThronansprĂŒche und will nach Ăsterreich einreisen. Das spaltet die Koalition und das Land. Die ĂVP hat mehrheitlich keinen Einwand, aber die SPĂ und auch die oppositionelle FPĂ laufen Sturm dagegen. Was will Otto Habsburg in Ăsterreich? âKurierâ-Herausgeber Ludwig Polsterer, der viele adelige Freunde hat und eher prohabsburgisch eingestellt ist, reist bereits 1958 gemeinsam mit Chefredakteur Hugo Portisch zu Otto Habsburg in dessen Domizil in Pöcking am Starnberger See, um herauszufinden, was dieser in Ăsterreich vorhat.
“Dort hat der Otto Habsburg uns erklĂ€rt, dass er von verlĂ€sslichen Vertrauensleuten in Ăsterreich Nachrichten bekommt, dass die Koalitionsregierung zwischen Volkspartei und Sozialisten völlig am Ende ist. Die beiden Parteien haben das Land mit dem Proporz und dem ganzen Filz in den Abgrund gefĂŒhrt. Da hat er nicht ganz unrecht gehabt. Aber dann hat er gesagt, dass das Volk diese Regierung ablehnt und nach etwas Neuem lechzt. Da lag er natĂŒrlich ganz falsch, denn die Sozialpartnerschaft war eine beliebte Institution und bei jeder Wahl haben die Leute doch hauptsĂ€chlich rot oder schwarz gewĂ€hlt. Und ich habe ihm gesagt: âDie Koalition ist nicht am Ende. Abgesehen davon hat ja diese Koalition vor drei Jahren den Staatsvertrag gebracht, also die Befreiung Ăsterreichs. 1945 war die groĂe Befreiung durch die Alliierten und 1955 war die Befreiung von den Alliierten durch die Koalition. In all dieser Zeit liegt eine Entwicklung Ăsterreichs, die die Bevölkerung auf dieses Land eingeschworen hat. Die Bevölkerung liebt dieses Land. Nicht alle Politiker sind populĂ€r, aber viele. Von einem revolutionĂ€ren Gedanken oder einer Befreiung ist hier nicht die Rede.â
Das hat der Habsburg ganz strikt bestritten. Er weiĂ ganz genau durch seine Vertrauensleute, Ăsterreich ist so reif fĂŒr die Wende und fĂŒr einen Umschwung wie Frankreich. Wie General de Gaulle will er als Retter nach Ăsterreich kommen, durch eine demokratisch legitimierte VerfassungsĂ€nderung BundesprĂ€sident und Bundeskanzler in einer Funktion zusammenlegen, einen âJustizkanzlerâ, ein gerechtes Staatsoberhaupt schaffen, und dafĂŒr wĂŒrde er kandidieren und sicher auch gewĂ€hlt werden, denn das ganze Volk wartet auf ihn.
Wir wollten ihm das ausreden, denn es wĂŒrde Ăsterreich in Lager spalten und auch international nicht akzeptiert werden, und haben ihm versichert: âHerr Doktor, wir werden leider Gottes im ,Kurierâ ganz und gar gegen Sie Stellung nehmen mĂŒssen.â
SpĂ€ter war Otto dann sehr versöhnlich und hat mir nach dem BegrĂ€bnis seiner Mutter Zita 1989 einen Dankesbrief fĂŒr meinen Fernsehkommentar geschrieben. Wir sind immer als Gentlemen auseinandergegangen und wĂŒrden uns auch wieder so begegnen.”
© Hugo Portisch 2021-05-10