HAFT

Jeder Mensch hat seine Geschichte, hier ist ein Teil von meiner.
Tiefenentspannt liegen Christine und ich Seite an Seite auf unseren Yogamatten, vor uns aus dem Laptop strömte die ruhige und sanfte Stimme von Lisa “…und komm langsam wieder zurück in deinen wundervollen Körper. Nimm noch ein, zwei tiefe Atemzüge und öffne, wenn es für dich gut ist, wieder deine Augen. Bewege deine Finger, deine Arme, deine Beine und das alles mit einem breiten Lächeln im Gesicht”. Ein leises Läuten durchbricht meine Entspannung, es ist die Türglocke von unten. Genervt springe ich auf und gehe die paar Treppen hinunter ins Vorzimmer. Verwirrt blicke ich auf den Bildschirm neben der Haustüre. Draußen stehen zwei Rettungssanitäter und ein dritter junger Mann. Mit einem fragenden “Guten Abend?” öffne ich ihnen die Türe. Guten Abend sind sie Herr Walter? Vermutlich waren sie heute mit einer Person in Kontakt, die mit dem Coronavirus infiziert ist. Können sie kurz rauskommen?” ‘Fantastisch‘ denk ich mir, ‘bis jetzt bin ich diesem Coronachaos entkommen, und jetzt auch das noch.’
Als ich einen Schritt vor die Tür setzten will, geht es plötzlich blitzschnell. Einer der beiden Sanitäter schnappt mich beider der Hand und schleudert mich um 180 Grad herum. Es dauert einen Bruchteil von Sekunden und ich liege in unserem Vorzimmer auf dem Boden. Irgendwer drückt mir auf den Kopf. Sowohl meine Hände als auch meine Beine sind verkreuzt und ich spüre wie mir jemand fest in den Rücken drückt. Wildes Stimmengewirr rund herum und der junge Mann, der vor Sekunden noch vor meiner Tür stand liegt mit seinem Gesicht zehn Zentimeter vor meinem. Mit diabolischem Grinsen brüllt er mich an “Jetzt haben wir dich du Sau” Ich weiß nicht wie mir geschieht und versuche mich zu wehren, aber sofort zucken Schmerzen durch meinen ganzen Körper. Instinktiv rufe ich um Hilfe und höre die verzweifelten Schreie von Christine. Nachdem ich meinen Widerstand aufgebe und erkenne, dass dadurch auch der Druck auf meinem Rücken und meinem Kopf nachlässt, schneiden mir ratternd Metallkanten von Handschellen in die Handgelenke. Die beiden vermeintlichen Sanitäter zerren mich nach oben und drücken mich gegen die Küchentüre. Aus dem Augenwinkel erkenne ich Männer mit schwarzen Sturmmasken, uniformierte Polizisten mit Helme, Sturmgewehren und Schutzwesten. Eine Stimme mit aus dem Hintergrund durchbricht diese surreale Situation mit merklichem Befehlston: “Wir können ihn rausbringen” Vorbei an vier oder fünf Fahrzeugen mit Blaulichtern bringen mich zwei Männer quer durch die Siedlung zu einem dunklen Kombi und verfrachten mich auf den Rücksitz. Hysterisch frage ich immer wieder was hier überhaupt los ist. Der Mann am Fahrersitz dreht sich zu mir um un meint mit ruhiger Stimme “Ganz ruhig, gleich kommt der Chef und der erklärt dir alles” Ich höre wie das Blut in meinen Ohren pulsiert, mein Herz rast wie wild und immer wieder schnappe ich nach Luft. Die Beifahrertür geht auf und ein Mann nimmt wortlos vor mir Platz. Unverzüglich setzt sich der Wagen in Bewegung. “Kann mir bitte mal wer erklären was hier überhaupt los ist?”, frage ich panisch ein weiteres mal.
Der Mann am Beifahrersitz dreht sich zu mir um “Wir haben einen Haftbefehl gegen Sie. Und du weißt ganz genau warum wir hier sind und was los ist!”
Natürlich weiß ich es