by Ryhane Nuri
Langsam atme ich ein und aus, öffne meine Augen und betrachte voller Begeisterung die Aussicht vor mir. So eine wunderschöne Aussicht! Der blaue Himmel, die hohen Berge.
„Komm zu dir selbst“, flüstert mir eine Stimme in meinem Inneren zu, und mein Lächeln verschwindet.
„Warum?“, frage ich. „Aber … hier bin ich doch zu Hause, oder? Dort, wo ich geboren wurde. Auf dieser Erde.“
„Nein, bist du nicht“, antwortet die Stimme wieder. „Hier ist nicht dein Land.“
„Doch, was macht den Unterschied? Dieser Himmel, unter dem ich geboren wurde, ist doch derselbe. Diese Wiese unter mir nimmt mich noch immer friedlich auf. Die Luft strömt wie jede andere Luft in mich hinein und füllt meine Lungen. Nur dieser eine Gedanke, dass ich nicht genau an diesem Punkt innerhalb der Grenzen dieses Landes, die irgendjemand erdacht hat, geboren wurde, hindert mich daran, mich zu Hause zu fühlen.
Ich stampfe dreimal mit meinem Fuß auf den Boden und lasse die Träne, die sich ihren Weg nach außen gebahnt hat, freien Lauf. „Hier bin ich geboren. Auf dieser verdammten Erde. Dieser Kugel, auf der ich mich wiedergefunden habe. Überall ist mein Zuhause. Ich habe ein Recht auf jeden einzelnen Meter davon. Ein Recht zu leben, zu spazieren, glücklich zu sein. Wer hat mein Zuhause aufgeteilt? Wo bleibt dann mein Recht? Mein Boden?“
Anscheinend ist die Regel so. Wo du dein Glück findest und an welchem Punkt du auf die Welt kommst, bestimmt, wo dein Leben sein muss. Wie dein Leben und deine Zukunft verlaufen müssen. Es gibt eine Grenze deines Lebens schon vor deiner Geburt. Eine erzwungene Heimat. Für manche nichts anderes als ein Gefängnis.
Also war ich schon vor meiner Geburt heimatlos. Denn nicht jedes Land kann man Heimat nennen. Pech gehabt. Eine verpasste nicht beeinflussbare Chance! Warum bin ich überhaupt auf diese Welt gekommen, wenn ich darin sowieso keinen Platz hatte? Egal wohin ich gehe, ich bin gefangen in einer Hülle der Fremdheit. Es fühlt sich an, als müsste ich immer im Haus eines anderen wohnen. Als Gast. Als Fremder.
In den Augen der Menschen sehe ich, dass ich nie eine Heimat finden werde. Dass ich niemals wirklich Teil eines Ortes sein werde. Dass ich nirgends umarmt werde. „So glücklich war ich nicht wie ihr“, möchte ich schreien. „Ich wünschte auch so sehr, ich wäre an einem besseren Punkt der Erde geboren worden, um ein gutes Leben mit einer besseren Zukunft haben zu können.“
Wer hat Heimat erfunden? Diese erdachten, erzwungenen und unsichtbaren Grenzen machen das Leben mancher zur Hölle. Ein Wort namens Heimat gibt es nicht. Heimat ist nicht der Ort innerhalb der Grenzen, an dem du als Baby die Augen aufgeschlagen hast. Heimat ist in dir. Dieses Gefühl wurde durch das Wort Heimat verletzt. Deshalb kann ich es nicht fühlen. Und nichts ist schlimmer als ein Mensch, der den Geschmack der Heimat nie gekostet hat.
© Ryhane Nuri 2025-03-17