Highway to Hermannplatz

Alina Schad

by Alina Schad

Story

Ein Schwall Schimpfwörter knallt mir gegen den Kopf. Sie prallen von meiner Stirn ab und fallen zu Boden. Jetzt liegen sie da. In einer Pfütze neben plattgetretenen Kaugummis und aufgeweichten Zigarettenstummeln. Nichts davon hat etwas mit mir zu tun, aber es ist ein trauriges Bild.

„Menschen“, murmele ich.

„Was hast du gesagt, du *****?“ schreit der Besitzer der Worte.

Sein Gesicht glüht rot wie ein Ampelmännchen.

Es regnet. Ich beschließe, dass er nicht gefährlich genug aussieht, um ihm nicht den Rücken zuzudrehen und gehe weiter. Die nächste Schimpftirade segelt über mich hinweg, während ich mir immer noch eine Erwiderung verkneife. Ist ja auch frech von mir ganz normal auf dem Fußweg gehen zu wollen.

Ich laufe an einem Hafermilch-Hipster-Café vorbei und überlege unwillkürlich, wie sie hier wohl reagieren würden, wenn ich mich mit einer Bifi direkt vor den Eingang stelle. Mist, ein Teil seiner schlechten Laune ist wohl doch an mir kleben geblieben. Ich versuche sie von mir abzuschütteln, aber das ist gar nicht so einfach.

Regen läuft mir in den Nacken. Ich fummele mein Handy aus der Tasche und auf dem Display erscheint eine halb getippte Antwort, die ich sofort lösche. Dann starre ich erneut auf die Frage.

– Sag mal, was gefällt dir eigentlich am besten an Berlin? –

Keine Ahnung, ob das jetzt ein Moment zum Lachen oder zum Weinen ist. Immerhin hätte mich eben beinahe ein wild gewordener Lastenfahrradfahrer umgebracht.

Dann höre ich es plötzlich hinter mir laut hupen. Bremsen quietschen, Autotüren fliegen auf. Gegen meinen Willen drehe ich mich wieder um, nur um den Schimpfwortfanatiker dabei zu beobachten, wie er erneut loslegt. Dieses Mal landen seine Worte nicht in Pfützen. Sie verwandeln sich in Fäuste und trommeln wild auf die Motorhaube des weißen BMWs ein. Aber dieses Mal hat er sich dafür den Falschen ausgesucht. Die Faust des Autofahrers fliegt wie in Zeitlupe auf das Gesicht des Fahrradrowdys zu.

Zwei Streitende im Regen, teilnahmslose Passanten, die Sirenen in der Ferne fahren in eine andere Richtung.

– Das Schöne an Berlin – , tippe ich in mein Handy, – ist, dass man sich auf offener Straße prügeln kann, ohne, dass sich jemand was dabei denkt. –

Ich lächele und drücke auf senden.

© Alina Schad 2022-02-14

Hashtags