Zerzauste Schäfchenwolken sprenkelten das Himmelsblau, als ich meine herzliche Freundin Manuela, mit der ich schon im Sandkasten Kuchen gebacken hatte, besuchte. Auch sie beherbergte eine kleine Menagerie in Haus und Garten, darunter drei Kaninchen, die einst im Tierheim auf einen guten Platz gewartet hatten.
Die beiden älteren, Bounty und Stanley, deren Fellfärbung, weiß mit schwarzen Punkten, winzigen Dalmatinern mit aufgestellten Ohren ähnelte, durften fröhlich durch den weitläufigen Garten hoppeln, wobei sie sich als äußerst nützliche Haustiere erwiesen. Denn die beiden Gourmands liebten es, auf den schmalen Pfaden, die mit roten Ziegelsteinen ausgelegt waren, jegliches Unkraut, das zwischen den Steinen keck hervorlugte, auszurupfen. So entpuppten sich Stanley und Bounty als nützliche Unkrautjäger, die ihren pflanzlichen Fang praktischerweise mit Butz und Stingel auffraßen.
Der kohlrabenschwarze Hopsi hingegen war noch weich und flauschig und seinen Kinderschuhen noch lange nicht entwachsen. Er war Bernhards neuer Spielkamerad, der aber noch nicht allein durch die Wiese hopsen durfte. Deshalb nahm ihn Manuelas jüngster Sohn zum Kuscheln und Spielen aus seinem Käfig heraus und setzte Hopsi auf den großen Terrassentisch. Da hatte er genug Platz, um herumzuhüpfen.
Aber oft genügt nur ein Wimpernschlag, der alles zu verändern vermag. Nur ein kurzer Augenblick, in dem Manuela und ich Kaffee und Kuchen für eine gemütliche Jause vorbereiteten, und den dreiteiligen Terrassentüren, die einen weiten Blick in den Garten gewährten, den Rücken kehrten. Als wir wieder zur Terrasse sahen – Schrecksekunde – war der Kleine weg, wie vom Erdboden verschluckt!
Zuerst einmal galt es, den weitläufigen Garten abzusuchen. Wir teilten uns auf, jeder einen Winkel, gute Verstecke hinter Sträuchern oder Bäumen gab es ja einige, jedoch Fehlanzeige! Plötzlich bemerkten wir, dass das große Gartentor, durch das zuvor Manuelas ältere Kinder mit dem Labrador hindurchspaziert waren, einen Spalt breit offen stand. Geschwind auf die Gasse hinaus, weiter zum Feldweg, der von wogenden Sonnenblumen, Weizen- und Rapsfeldern gesäumt wurde. Dort gab es ja unzählige Möglichkeiten, sich zu verbergen. Ich litt mit meiner Freundin, die sich ja große Sorgen um den kleinen Ausreißer machte, mit.
Plötzlich sahen wir vier schemenhafte Umrisse in der Ferne, die sich im Näherkommen als drei Kinder, die einen Hund an der Leine führten, entpuppten. Im Geiste hörten wir den Stein, der auf unseren Herzen gelastet hatte, regelrecht hinunterplumpsen. Manuela eilte ihren drei Lieblingen entgegen und schloss Bernhard, ihren Jüngsten, der wie seine Geschwister offensichtlich auch mit dem Hund durch die Ortschaft flanieren wollte, in ihre Arme.
Als wir heimkehrten, saß das Kaninchen noch immer, so als wäre nichts geschehen, auf dem Holztisch und knabberte an seinem Klee. Ob da etwa ein vierblättriges Kleeblatt darunter versteckt war?
© Silvia Peiker 2020-10-11