by Chaosfrau
“Wir könnten doch eigentlich mal was zusammen unternehmen, zum Beispiel schwimmen gehen?” meinte ein Arbeitskollege, den ich bis dahin nur flüchtig kannte. Da ich zu der Zeit Single war und mich schon länger mit niemandem mehr verabredet hatte, sagte ich spontan zu.
Was sollte schon groß passieren? Außerdem war ich neugierig darauf, was ich in letzter Zeit alles verpasst hatte. So zwischenmenschlich.
Er holte mich pünktlich mit dem Auto ab, ich stieg bestens gelaunt ein. Kurz nachdem wir losfuhren, öffnete ich das Fenster einen Spalt breit, es war ja ziemlich heiß an dem Tag. Da ging es los: “Hast du gerade das Fenster aufgemacht? Das hättest du nicht tun dürfen, jetzt bekomme ich es nicht mehr zu!” Überrascht von seinem barschen Ton antwortete ich: “Oh je, das tut mir jetzt echt leid, aber das war wirklich nicht meine Absicht.”
Er fuhr rechts ran, stieg aus und schlug von draußen so auf die Scheibe ein, dass mir drinnen gar nicht mehr wohl war. Zugleich sollte ich das Fenster wieder nach oben kurbeln, meinte er im Befehlston. Nach ein paar Versuchen schafften wir es und fuhren weiter.
Das fängt ja gut an, dachte ich mir.
Als nächstes verfuhr er sich, ohne es zu bemerken. Wie würde er wohl reagieren, wenn ich ihn darauf hinwies? Wohl oder übel musste ich da jetzt durch und sagte es ihm.
Wutentbrannt schrie er mich an:” Hättest du mir das nicht früher sagen können?”
Ich sparte mir die Antwort.
Endlich beim Schwimmbad angekommen, ließ er mich an der Kasse vorgehen, ich wunderte mich schon über gar nichts mehr, zahlte meinen Eintritt selbst und fragte mich, während wir unsere Badetücher ausbreiteten, was ich hier eigentlich machte.
Ich war noch nicht einmal ausgezogen, als er wie ein ungehaltenes Kind fragte: “Gehen wir jetzt ins Wasser?” Ich antwortete: “Wir sind doch gerade erst angekommen, können wir nicht ein bisschen liegen bleiben, bevor wir schwimmen gehen”? Das lehnte er entschieden ab, denn wenn er schon so viel Eintritt zahlte, wollte er das Schwimmen auch voll ausnutzen.
Bitte. Dann eben gleich ins Wasser. Ich brauchte sowieso dringend eine Abkühlung, nach dem Drama im Auto. Seine Laune wurde auch nach einer halben Stunde im Wasser nicht besser. Das Wasser war ihm zu kalt, raus in die Sonne oder in die Cafeteria wollte er aber auch nicht.
Ich setzte mich trotzdem in die Cafeteria. Inzwischen war mir egal, was er davon hielt. Er kam irgendwann nach und fragte, ob er mich noch heim bringen sollte.
Ich lehnte dankend ab und er ging ohne ein weiteres Wort.
Ich blieb noch eine Weile sitzen und während ich das bunte Treiben im Wasser und auf der Wiese beobachtete, erholte ich mich langsam wieder. Ich schaute den Kindern auf der Wasserrutsche zu und ließ mich von ihrem Lachen anstecken, vergaß den ganzen Stress und fühlte mich frei.
Was aus dem Typ wurde, an dessen Namen ich mich heute schon gar nicht mehr erinnern kann, kann ich nicht sagen. Ich habe ihn nie mehr gesehen.
Aber vermutlich fuhr er mit geschlossenen Fenstern auf Umwegen nach Hause.
© Chaosfrau 2020-08-25