Hütte der Nacht

Tamara Nessler

by Tamara Nessler

Story

Das leise Knistern des Feuers lockt mich wieder zurück in die Realität. Behutsam drehe ich den Kopf in Richtung Kamin – ich bin eingeschlafen. Mittlerweile hat die Dämmerung eingesetzt und es ist kühler in der wohligen Berghütte. Die Felle, die Boden und Couch schmücken, geben ungeachtet dessen genügend Wärme ab, um unbekümmert zu schlafen. Sie hatten mich gewärmt, obwohl ich bloß in ein Handtuch eingewickelt bin. Mein Bestreben war es, mich anzuziehen, das Knistern aus dem Kamin und die Geborgenheit der Felle haben mich jedoch ins Land der Träume entführt, bevor es dazu kam.

Schmunzelnd stehe ich auf und gehe in Richtung Schlafzimmer, um mir Kleidung zu holen. Kaum aufgestanden, höre ich plötzlich ein kräftiges rumpeln. Erschrocken blicke ich über meine Schulter zur Tür, doch nichts regt sich. Der Wind muss gegen die Fensterläden geprescht sein. Da knallt es erneut. Diesmal so markerschütternd, dass ich vor Schreck einige Schritte nach hinten taumle. Mit einem letzten dröhnenden Knall fällt die hölzerne Tür aus ihrem Schloss.

Wie erstarrt stehe ich da und blicke die Gestalt an, die im Türrahmen steht. Ein Mann, mindestens zwei Köpfe größer als ich. Sein Haar schwarz wie der Nachthimmel. Seine Augen lodernd, wie die Glut im Feuer und seine Lippen blutrot.

Mir stockt der Atem. Ich will schreien aber meine Stimmbänder versagen. Ich will rennen, doch meine Beine verweigern mir ihren Dienst. Panisch atme ich zunehmend schneller. Der Mann bewegt sich nicht, er steht bloß da. Da wandert mein Blick auf sein zerfetztes Shirt, seine schneebedeckten Hosen und seine blutverschmierten Hände.

Tu etwas, irgendwas! Doch mein Körper gehorcht mir immer noch nicht. Mein bereits panischer Atem beschleunigt noch mehr und kurz darauf wird alles schwarz.

Es knistert. Ich öffne die Augen und sehe mich mit Bedacht um. Das Feuer brennt und ich liege auf der Couch in mein Handtuch gewickelt. War das nur ein Traum? Rasch setze ich mich hin, um mich umzusehen, da ertönt eine tiefe grollende Stimme:

„An deiner Stelle würde ich langsam aufstehen, sonst fällst du gleich wieder in Ohnmacht.“

Das Blut sackt mir aus dem Gesicht und ich werde blass. Angsterfüllt drehe ich mich um, in die Richtung, aus der die Stimme kam. Da steht er. Den Schnee an seinen Hosen abgeklopft, das zerrissene Shirt ausgezogen und die blutigen Hände gewaschen. Ein völlig Fremder, scheinbar gefährlicher Mann, hier in dieser Hütte mit mir. Als würde er meine Angst spüren können, wendet er seinen Blick von mir ab.

„Ich habe dir nichts getan, falls du dich das fragst“, grummelt er in den Boden.

„Was willst du?“, frage ich mit zitternder Stimme.

© Tamara Nessler 2023-08-30

Genres
Novels & Stories, Suspense & Horror
Moods
Abenteuerlich, Dunkel, Mysteriös, Angespannt