Diese Gasträume im ersten Obergeschoss wurden später nicht mehr genutzt, auf der Etage waren dann nur noch die Damen-WCs. War man wie wir den ganzen Tag unterwegs, boten diese die einzige Rettung. Öffentliche Toiletten waren kaum vorhanden oder – wie auf dem Grenz-Bahnhof! Bad Schandau – von Jahr zu Jahr unzumutbarer für einen Menschen. Ein Schweinestall war nichts dagegen. Fast nie Papier, oft kein Wasser(hahn) zum Händewaschen, von Seife und Handtuch nicht zu reden. Papierkörbe quollen über vor Müll und Papiertaschentüchern, die die Leute zum Händeabtrocknen genommen hatten. Man musste froh sein, wenn man ein Päckchen Taschentücher erwischte oder sich rechtzeitig durch Abklappern einschlägiger Geschäfte bevorratete. Ging die Schnupfenzeit los, gab es manchmal nur Zellstoff, den man erst noch auf handliches Format schneiden musste. Brauchbares Toilettenpapier war auch oft Fehlanzeige, man musste davon immer was in der Tasche haben. Die öffentliche Toilette in Bad Schandau in der Nähe der Dampferanlegestelle wurde damals wahrscheinlich wegen Unzumutbarkeit gesperrt. In manchen Lokalen musste man an der Theke erst nach dem Schlüssel fragen, um zu verhindern, dass Leute von draußen hereinkamen, die vom Restaurant weiter nichts wollten, alles verunreinigt zurückließen und wo das Personal dann nur saubermachen durfte. Das WC im Stadtpark (Endhaltestelle Kirnitzschtalbahn) war geöffnet, wenn sich mal wieder ein Pächter fand. Oft war es besser, man ging auf Wanderungen weit ab von der Zivilisation hinters Gebüsch – da war es sauberer als in vielen Bedürfnisanstalten.
Sigl’s Limonadenfabrik befand sich auf der der Gaststätte gegenüberliegenden Straßenseite. Wir sahen Be- und Entladevorgänge. Auf den Flaschenaufklebern stand: Bad Schandauer Kurquelle TAFELBRUNNEN. Mit Kohlensäure versetzt. Am Quellort abgefüllt. Brunnen-Abfüllbetrieb VEB TAFELBRUNNEN BAD SCHANDAU EVP 0,18 M Inhalt 0,33 l.
Wir standen abends vor der “Krone” am Markt in der Warteschlange hinter der Glastür und durften wie durch ein Wunder am für Hausgäste reservierten Tisch Platz nehmen. Sicher wusste der Ober, weitere Hotelgäste kommen nicht oder haben schon gespeist. Vornehme Leute saßen dort. Für mich als Jugendliche erschien es jedenfalls so. Eine der älteren Damen kommentierte alles, was ihre Nachbarin sagte, mit dem Wort “Entzückend!”. Die Tische standen schon eng, teilweise gab es Eckbänke. Mehr war nicht zu machen. Wir aßen die ersten Jahre öfters Schwedenplatte (verschiedene Fischsorten). Das Angebot Fisch verarbeitender Betriebe wurde immer bescheidener. Nicht anders war es mit gemischter Käseplatte. Schnitt- und Schmelzkäsesorten unterschieden sich kaum voneinander, im Biss waren sie oft gummiartig. Manchmal aßen wir in letzter Not Tatar: Hackfleisch, Zwiebel, Ei waren einzeln auf dem Teller und erst noch mit Pfeffer und Salz zu mischen; oder Strammer Max. Das kannten wir nicht und fragten nach. Ich hasse es, Schnitten mit Butter zu bestreichen und in mundgerechte Stücke zu teilen.
© Annemarie Baumgarten 2024-05-02