[1974] Meine erste große Liebe hatte mich nach anderthalb Jahren verlassen, während ich auf einer Interrailreise war. Eine Aussprache verweigerte sie. Also blieb ich dumm und betrank mich. Einmal aber nahm ich LSD und saß an diesem Samstagnachmittag an der Alten Donau, dort, wo ich oft mit ihr gewesen war.
Ein Boot kam vorbei, in dem zwei Bekannte saßen. Ich kannte das Geschwisterpaar aus unserem Stammcafé, dem Fichtl. Sie luden mich auf die Bootsfahrt ein und sprachen von ihrer Tante, die einen Nervenkollaps bekommen hatte. Die beiden merkten nicht, dass ich auf einem Trip war. Nach der Bootsfahrt saßen wir im Café Haas und diskutierten über Gott und die Welt. Irgendwann verabschiedeten sich die beiden und gingen.
Unvermutet war ich allein. Die letzten Stunden spulten sich vor meinem inneren Auge ab. Beim Nervenzusammenbruch der Tante angelangt, stoppte ich. Nun meinte ich, einen Bezug herzustellen und selbst so einen Kollaps zu bekommen. Es war Samstag, Arztpraxen hatten geschlossen, also ging ich ins Krankenhaus von Floridsdorf und verlangte nach Valium, zur Beruhigung, gegen den vermeintlich drohenden Nervenzusammenbruch. Ein Arzt untersuchte mich, hieß mich, die Hände gerade zu halten. Sie zitterten nicht.
Weil ich bei meiner Meinung blieb und auch verriet, dass ich LSD intus hatte, ließ mich der Arzt mit der Rettung quer durch ganz Wien ins psychiatrische Krankenhaus auf der Baumgartnerhöhe bringen. Eine Fahrt im Krankenwagen, auf Trip, während draußen der sommerliche Abend pulsierte. In einen Rollstuhl gezwungen, wurde ich zur Aufnahme geschoben.
Eine Dame hinter einem hohen Pult fragte nach meinem Namen, jenem des Bundespräsidenten und nach meinem Geburtsdatum. Ein ungeahntes unendliches Gefühl durchströmte mich. „Ich bin nie geboren worden und ich werde nie sterben“, sagte ich. “Unterm Hitler hätt’s das nicht gegeben”, konstatiere der Pfleger hinter mir. Man nahm mir den Ring und die Kleidung ab. Der Arzt hatte eine Alkoholfahne. Ich erhielt einen zu großen Pyjama, aber kein Valium. Ein Bett im Schlafsaal wurde mir zugeteilt. Ich hörte Flugzeuge abstürzen.
Sonntag im Irrenhaus. Ein Wiener sagte zu mir, man dürfe sich niemals beschweren, dann wäre man am ehesten wieder draußen. Ein Russe hämmerte an die Tür, er wollte seinen Botschafter sprechen. Die Pfleger spritzten ihn alle paar Stunden gewaltsam nieder. Einem Mann im Delirium, der im Gitterbett tobte, hielten sie eine Münze hin und sagten, es wäre ein Messer. Während der Verrückte mit der Münze an den Netzmaschen säbelte, lachten die Pfleger.
Zu mir meinten sie, ich müsste zwecks Drogentherapie drei bis sechs Monate im Irrenhaus bleiben. Am Montag sprach ich mit einer Ärztin, die mich heimgehen ließ, nachdem ich geschworen hatte, es beim einmaligen Experiment mit der Droge zu belassen. Erleichtert atmete ich draußen die Sommerluft ein. Frei!
© Hannes Stuber 2019-06-22