Ich bin taub, denn meine Gedanken sind laut.

Nicole Liedmann

by Nicole Liedmann

Story

Ich bin taub, ich bin taub, denn meine Gedanken sind so laut. Sie schlagen auf mich ein und die Pein wächst immer weiter und klettert auf der Leiter bis zur höchsten Stufe. Ich bin blind, ich bin blind, bin gesteuert vom inneren Kind. Ich suche nach Sicherheit, denn ich bin es leid, die ganze Zeit in einer Ecke zu stehen und nicht hinaus in die Welt zu gehen, weil ich Angst habe, verletzt zu werden. Ich bin gestresst, ich bin gestresst, weil mich mein inneres Monster nie in Ruhe lässt. Es sagt so fiese Sachen und dauernd höre ich sein gemeines Lachen, wenn ich weinend da liege und mich ganz eng an mein Kissen schmiege und ich mich frage: „Wann enden diese dunklen Tage?“ und „Wieso bin ich so ekelhaft?“ und „Woher bekomme ich die Kraft, alles durchzustehen?“ Ich fühle mich allein, ich fühle mich allein, aber das kann doch kein Dauerzustand sein? Immer verschlingt mich die Einsamkeit und mein Neid wird so groß, wenn ich eine Gruppe von Freunden sehe und ich gefühlt immer allein durch dick und dünn gehe und allein in der Ecke stehe und mich dauernd im Kreis drehe. Ich kann es nicht erklären und kann dir keinen Blick in meine Gedanken gewähren, denn ich weiß selber nicht, weswegen ich mich trotz Gesellschaft so verdammt alleine fühle. Ich lache viel, ich lache viel, aber eigentlich ist dies nur ein Theaterspiel. Denn mein Herz bricht regelmäßig in 1000 Teile und die Stimmung ist schon seit einer langen Weile so schlecht, aber jeden Tag versuche ich so echt zu lächeln, wie es nur geht, weil mich niemand wirklich versteht und weil ich nicht will, dass sich die Leute sorgen, konzentriert euch lieber auf Morgen und auf euer eigenes Leben, ich will euch auch kein Gefühl von Machtlosigkeit geben. Ich denk an dich, ich denk an dich, dabei denke ich viel zu selten an mich. Ich versuche oft allen ein gutes Gefühl zu geben, vergesse dabei mein eigenes Leben, meine eigenen Bedürfnisse und meine eigenen Risse im Herz und all den Schmerz, der mich jeden Tag begleitet und mich anleitet. Es ist kalt, es ist kalt, wann endet das? Hoffentlich bald. Meine Kraft schwindet und ich weiß nicht, wo man so viel Motivation findet, das alles durchzustehen, ohne dabei durchzudrehen. Es ist schwer, es ist schwer, ich wünsche mir inneren Frieden so sehr, aber stattdessen tobt in mir das wilde Meer aus dunklen Gedanken, in dem alle guten Dinge versanken und dann für immer verschwanden. Es ist so laut, es ist so laut, deswegen schneide ich mir in die Haut, denn meine Gedanken sind niemals so still, so wie ich es eigentlich will, deswegen hole ich die Klingen aus meinem Versteck, denn ich habe das Gefühl, dass ich an diesen Gedanken und Emotionen sonst verreck. Ich sehe mein Blut und irgendwie ist für einen Moment alles gut. Die Welt ist gemein, die Welt ist gemein, muss ich denn wirklich Teil dieser sein? So viel Wut und so viel Hass, was in Kindertagen bunt wirkte, scheint nun verblasst. Die Menschheit ist so farbenfroh und individuell, aber jedes Anderssein wird schnell im Hass erstickt, denn es ist besser, wenn jeder Mensch gleich tickt.

Der Text endet, der Text endet, aber ob sich irgendetwas zum Guten wendet? Vermutlich nicht.


© Nicole Liedmann 2024-08-11

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