Ich hab heute Nacht von dir geträumt. Ich konnte dich so deutlich vor mir sehen, dich umarmen, dich riechen. Oh, dich riechen. Dein unverwechselbarer Du-Geruch. Es war so ein besonders schöner Wohlfühltraum, und in den wenigen Sekunden, als der Schlaf von mir abfiel und ich so richtig zu Bewusstsein kam, da dachte ich, es ist alles noch so, wie es gewesen war.
Aber es ist nicht mehr so, wie es mal war. Nichts mehr. Du bist weg und der Schmerz darüber zerreißt mich fast. Ich habe seit Wochen nicht mehr richtig Luft geholt, so kommt es mir zumindest vor, und meine Augen brennen vor lauter geweinten und inzwischen ungeweinten Tränen.
Ich hätte nie geglaubt, dass unsere Liebe so jäh enden könnte. Wie sollte ich auch darauf vorbereitet sein? Alle unsere Ziele, Pläne und jede Routine zerbarsten mit dir und unserem Auto bei Glatteis an dieser alten Eiche.
Ich wollte dir doch noch so viel sagen. Doch jetzt ist nur Leere und Stille, die mich umgibt.
Mir schnürt es wieder meine Kehle zu, als ich auf dem Weg in die Küche an deinem Foto vorbeikomme. Wie du gelöst in die Kamera strahlst. Lebendig. Lebensfroh. Wunderschön.
Mit zitternden Fingern greife ich zu den Streichhölzern und zünde die Kerze für dich an. Oder vielmehr für mich. Etwas Wärme, etwas Licht und Bewegung in unserem leeren Zuhause. Meinem leeren Zuhause.
Mein Blick fällt auf den Stapel Karten, Trauerkarten, die unzählig auf dem Schränkchen neben deinem Foto und der Kerze liegen. Ich greife danach und lasse sie durch meine Finger laufen. Wahllos fasse ich eine Karte und betrachte sie, als würde ich sie zum ersten Mal sehen.
In der Hoffnung auf ein Wiedersehen
In dunkelgrünen Lettern steht dieser Satz auf der Karte. Ich schluchze auf und wieder brennen Tränen heiß in meinen Augen. Aber, als hätte sich etwas gelöst, kann ich endlich tief einatmen. Meine Lungen füllen sich mit Sauerstoff, und das ist so wohltuend und befreiend, dass sich mein Gesicht automatisch zu einem Lächeln verzieht. Ein bekanntes Gefühl, aber nach den letzten Wochen so ungewohnt und fast schäme ich mich. Bevor sich das schlechte Gewissen weiter in mir ausbreiten kann, weil ich lächeln kann und du nicht mehr, konzentriere ich mich wieder auf die Karte in meiner Hand. Ein Wiedersehen. Was für ein Trost, denke ich. Wir werden uns wiedersehen.
Unser Glaube war eine ganz grundlegende und verbindende Sache für uns. Damit verbunden auch der Glaube an ein Leben nach dem Tod. Nach dem Tod … In meiner Vorstellung wäre das frühestens in vierzig Jahren eingetreten.
“In der Hoffnung auf ein Wiedersehen”, flüstere ich leise, lege die Karten zurück und streiche zärtlich über dein Gesicht auf dem Foto vor mir. Wie konnte dieser kostbare Trost nur wochenlang unter all dieser zerfressenden Trauer verschüttet liegen? Automatisch greife ich zu dem kleinen Kreuz, das ich an einer Kette um meinen Hals trage, du hast es mir vor vielen Jahren geschenkt.
Wir werden uns wiedersehen und dann wird Gott ihnen alle Tränen abwischen. Es wird keinen Tod mehr geben, kein Leid, keine Klage und keine Schmerzen. (Bibel HfA, Off. 21,4)
© Constanze Woidschützke 2025-06-18