by Neo Knieps
Ich denke oft darüber nach, was wir Wahrheit nennen.
Und je länger ich darüber nachdenke, desto weniger sicher bin ich mir, ob es sie überhaupt gibt – zumindest nicht so, wie wir es gerne hätten. Nicht als klare Linie, nicht als objektive Größe. Sondern eher wie Nebel: da, aber nicht zu fassen. Ich greife danach, und doch bleibe ich mit leeren Händen zurück. Oder vielleicht doch eher wie Wasser, denn die Wahrheit hinterlässt Spuren, genauso wie Wasser, das meine Hände benässt, wenn ich es berühren will.
Ich habe gelernt, dass mein Gehirn mich täglich belügt. Nicht in böser Absicht, sondern aus einem seltsamen Instinkt heraus, mich zu schützen. Es formt Eindrücke, filtert Informationen, ersetzt Leerstellen mit Vermutungen – und nennt das dann “Realität”.
Was aber, wenn jenes Konstrukt, welches uns die Gesellschaft als richtig nahegebracht hat, nicht unsere Realität ist? Was, wenn die Wahrheit nichts Festes ist, sondern etwas Nebulöses – etwas, das nicht gefunden, sondern individuell gespürt und innerlich erkannt werden will? Wandelbar.
Ich denke nach und nun fällt mir ein, dass ich wahrscheinlich von niemandem eine Antwort auf meine Fragen finden werde, die mich zufriedenstellt. Weil alle Antworten, genauso wie die Wahrheit auch, verschieden formbar seien müssten.
Weiter denke ich und mir wird klar: Ich bin ein 15-jähriger Junge, der über die Wahrheit, die nicht wahr ist, nachdenkt. Verrückt eigentlich. Und jetzt glaube ich, ich sollte aufhören, denn ich habe gerade den Gedanken bekommen, dass die Wahrheit, wenn sie doch für jeden von uns anders ist, ziemlich falsch ist. Und die Wahrheit, die ist also der Grund für verschiedene Meinungen, – oder sind die Meinungen der Grund für verschiedene Wahrheiten?
Ich verwirre mich selbst. Kann es denn sein, dass man gar nicht sagen kann, dass jemand falsch liegt, weil es für diese Person wahr ist? Ich meine damit keine offensichtlichen Irrtümer wie: 3+7=37 ist wahr, weil Paul fest davon überzeugt ist, – sondern dinge, welche es verlangen einen Moment zu überlegen, wie zum Beispiel die Frage: von wem oder ob die Welt von jemandem erschaffen wurde.
Wenn es der Wahrheit der Person entspricht, kann es doch nicht falsch sein. Nur, weil mein Verständnis von der Welt sagt, die Wahrheit wäre eine andere.
Wir können nur sagen was Bewiesen ist, dass der andere Tatsachen leugnet aber die Wahrheit hängt (für mich) nicht davon ab.
Ich denke, die Wahrheit lügt nicht uns an, sondern wir lügen andere über unsere Wahrheit an. Ich denke, unsere Wahrheit ist nicht für jeden wahr. Deshalb ist unsere Wahrheit die Lügen der anderen. Aber hey, ich bin nur ein 15-jähriger Junge, der bis zur dritten Klasse an den Weihnachtsmann glaubte, und ja, – für mich war das die Wahrheit.
© Neo Knieps 2025-04-16