Ich sitze am See, ich sitze nicht am See. Die Sonne scheint und sie scheint nicht. Da schwimmen Fische und sie schwimmen nicht. Was tun sie, wenn sie nicht schwimmen? Sie träumen, sie fliegen. Fliegen am Himmel und malen Träume. Wolkengebilde. Da sind Wolken, da sind keine. Ausgeträumt. Ausgefischt.
Die Angel liegt in meiner Hand, sie liegt dort nicht. Ist es eine Angel? Wenn es eine wäre, könnte ich sie werfen. Ich werfe, ich werfe nicht. Das Wasser schlägt Wellen, es schlägt keine. Liegt das Wasser ruhig da? Anzunehmen, es geht kein Wind. Das Gewand klebt an meiner Haut – ich möchte mich häuten. Ich bin eine Schlange, ich bin keine Schlange. Ich schlängle mich am Boden entlang, ich liege nicht am Boden. Wohin schlängle ich mich? Ich bin ein Pfad, der in den dunklen Wald führt, den die Seele fürchtet. Es ist finster, es ist hell. Der Wald irritiert mich, Zwischentöne. Eine Lichtung – wahnhaft liegt sie da. Kaffeebohnen am Boden, sie kichern manisch. Kichernde Kaffeebohnen. Jetzt fehlt Wasser, es fehlt Milch, es fehlt Zimt und es fehlt ein Löffelchen Honig. Ein Baumstamm mit einer Mulde, in der sich über die Zeit Tränenwasser angesammelt hat, ist alles, was von dem Baum noch übrig ist, den die Fee gefällt hat.
Meine Hand holt aus – trifft ins Leere – und holt ein. Was holt sie ein? Alles, was sie nicht getroffen hat. Sie darf nichts treffen, muss leer bleiben. Die Fische schwimmen im See, sie schwimmen dort nicht. Wo schwimmen sie? Am traumverzierten Himmel. Meine Hand holt aus und holt ein: Wiederholung, gefroren in der Zeit, die verstreicht, während ich an dich denke.
Hinter dem See ragt ein Berg in die Höhe, unbezwingbar hoch. Auf dem Gipfel stehen fünf Bäume, die gefällt und gepflanzt werden müssen. Ich muss den Berg erklimmen, der da ist, der nicht da ist. Vielleicht halte ich ein Fernglas in den Händen, vielleicht kann ich die Bäume und ihre Größe auch ohne optische Hilfsgeräte erkennen. Meine Brille macht es nicht mehr lange, zerkratzt. Was sehe ich noch?
Kichernde Kaffeebohnen liegen in meiner Hand, ich werfe sie, ich werfe sie nicht. Was schwimmt da im See, das sich darauf stürzen würde? Die Kaffeebohnen kuscheln sich in meine Handfläche, kleben sich fest, wollen nicht geworfen werden. Ich zähle sie. Es sind noch genug da. Meine Hände halten sie krampfhaft fest, meine Finger werden müde und lösen sich. Die Kaffeebohnen fallen zu Boden, rollen weiter in den See, der da ist, der nicht da ist. Können sie rollen? Können Fische fliegen?
Ich halte keine Angel in der Hand, ich halte meine Nervenenden, verknote und entwirre sie im Minutentakt, suche verzweifelt das richtige Muster. Ich webe einen Nerventeppich, der mich vielleicht trägt, vielleicht nicht. Vielleicht fliege ich, vielleicht falle ich. Wo lande ich? Immer auf der Lichtung, die mich das Schreiben lehrt.
© Eva-Maria Wagner 2023-08-23