Ida weiß mehr als Slatko

Ida ist eine mittelgroße Rappstute. Unauffällig in der Herde, kooperativ im Umgang. Slavko ist ein geschickter, fleißiger Handwerker aus dem ehemaligen Jugoslawien. Die beiden bilden ein Paar bei der ersten Begegnung der Seminarteilnehmer mit den Pferden. Sie verstehen sich auf Anhieb. Ida folgt Slavko auf Schritt und Tritt. Wohin Slavko sich auch wendet, Ida bleibt ihm auf den Fersen. Mit Führstrick ebenso wie ohne. Slavko ist ehrgeizig. Da die Kommunikation im Schritt so gut klappt, will er es auch im Trab versuchen.

Was Slavko nicht weiß: Ida trabt nur “mit”, wenn man weiß wie, und dies auch noch perfekt mit voller Konzentration auf jede Bewegung seines Körpers umsetzt. Oder man holt sich Hilfe von einer zweiten Person, die das Tempo von hinten vorgibt, während der Läufer vorne weiter die Richtung bestimmt.

Was ich nicht wusste: Slavkos Chef – wir nennen ihn Thomas – unterstützt seinen fleißigen Mitarbeiter durch Vermittlung kleiner Reparaturen, die er außerhalb seiner offiziellen Arbeitszeit erledigt. Da er auch dort die Arbeiten zur vollsten Zufriedenheit der Kunden erledigt, wird er für seine Arbeit fürstlich entlohnt. Die Höhe dieses “Taschengeldes” steht natürlich in keinem Verhältnis zum Stundenlohn, den er von seinem Chef bekommt.

In Slavko entsteht der Wunsch, sich selbständig zu machen, um für jede seiner Arbeiten so gut bezahlt zu werden. Thomas weiß von den Träumen seines Mitarbeiters, kennt als erfolgreicher Unternehmer jedoch auch die Herausforderungen eines eigenen Betriebes. Thomas ist eine kluge Führungskraft. Er kennt Slavko seit Jahren, kennt seine Stärken und Schwächen, und möchte verhindern, dass Slavko eines Tages vor den Trümmern seines zerplatzten Traumes steht. Andererseits möchte er diesen tüchtigen Mitarbeiter nicht verlieren, indem er ihm alle Schwierigkeiten schildert und damit in Kauf nimmt, dass Slavko sie nicht hören will und trotzdem das Wagnis einer Selbständigkeit eingeht.

Erst in der Feedbackrunde nach dieser ersten Pferdebegegnung erfuhr ich von diesen Plänen. Auf das Erlebnis mit Ida aufbauend konnte Slavko erkennen, dass sein Vorhaben eine weit größere Herausforderung darstellte, als ihm bis jetzt bewusst war. In weiteren Gesprächen durfte Slavko erkennen, welch großzügige Geschenke sein Chef ihm mit seinen Vermittlungen machte und diese dankbar annehmen.