Im Café Grellinger

Gunny Catell

by Gunny Catell

Story
Gmunden

Ich sitze, wann immer ich in Gmunden sein kann, zum Frühstück mit einer warmen Buttersemmerl und Marmelade in meinem geliebten Café Grellinger auf der Esplanade und lasse mir im olivgrünen Plüschpolster die Sonnenstrahlen ins Gesicht scheinen.

enieW erueqiL senerorfeG u negnuhcsirfrE lese ich da verkehrt an der Fensterscheibe. In diesem pittoresken Lokal genieße ich sogar die optische Täuschung, wenn ich von innen auf den Traunsee blinzle. Ich komme mir vor, als würde im nächsten Moment Mozart oder andere Celebritäten auftauchen. Da hängen Fotos samt Signaturen von Maria Jeritza, Hofmannsthal, Kalman, Lehar, Schnitzler, Strauß, Altenberg und sogar Maxi Böhm. Sie alle waren da und ließen sich verwöhnen. Und ich lese: Sehr geehrte Frau Grellinger, haben sie besonders herzlichen Dank für die prompte Übersendung der köstlichen Torten! Ihre Hildegard Knef.

Bitte 15 Schaumrollen, 2 Cremeschnitten, 1 Erdbeerschiffchen, eine Maroni- und eine Marzipantorte, höre ich an der Glasvitrine aus der Warteschlange rufen, um sich das alles für daheim einpacken zu lassen. Gourmetfreude pur. Nirgendwo sonst auf der Welt fühle ich mich mehr in Harmonie mit mir selbst als in dieser Konditorei. Die resolute Chefin mit den dünkel gefärbten Haaren grinst die Gäste so verschmitzt an, als könnte sie ihnen jeden Wunsch von den Augen ablesen. Jeden ihrer Sätze zieht sie am Ende mit einem leiernden Gesangston so in die Länge, sodass ich mir wie bei einer Operette vorkomme. Dankeeeee, gerneeee, Jaaaa, 56 Euroooo. Auch die Hauptkellnerin imitiert sie schon. Der junge Kellner hinter der Theke hat die Hände voll zu tun, um all die Torten und Schnitten auf eine Papierunterlage zu drapieren und fein säuberlich in grün glänzendes Packpapier einzupacken oder in einer Grellinger Schachtel zu verstauen. Alle fünf Minuten erscheint eine volle Tortenplatte, um gebührend platziert zu werden. Jetzt sind es gerade 40 Kardinalschnitten. Sie werden bald weg sein. Heute ist die Vitrine so übervoll, dass er die schönsten Schokotorten zuerst hinter sich abstellen muss, bevor sie in die erste Reihe dürfen. Die BäckerInnen des Cafés sind wahrscheinlich Gmundens größter Stolz. Diese wie Bombe aussehenden Kreationen muss ihnen erst einmal jemand nachmachen!

Jeden Sonntag das gleiche Ritual. Die Tür geht auf und knarrt langsam zu, nur um sofort wieder aufzugehen und die nächsten Gäste drängen herein. Aber nicht solche Massen wie beim Zauner in Ischl, das für mich seinen Charme fast verloren hat.  

Bitte noch ein Maroni Brüstchen und eine Schokofächertorte. Darf‘s noch etwas sein? Oh, die Johannesbeerschnitte mit Vanillepudding nehme ich auch noch dazu. Und haben sie noch einen Nikolo oder Krampus? Eine Armee von Marzipankrampussen empfängt mich am Schaufenster. Mit dieser Auslage kann nicht mal das Demel konkurrieren. Im Sommer prangte dort eine Saunalandschaft – voll von hunderten nackten Männlein und Weiblein aus rosa Marzipan. So süß! Sie alle schienen dabei auch noch Lust zu haben.

Ich auch! Komm, kuschel dich zu mir!    


© Gunny Catell 2023-12-25

Genres
Travel, Food & drink
Moods
Entspannend, Funny
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