Das erste Mal blieb ich am 13.12.1976, als ich meine Dienstprüfung hatte, in Wien im Lift stecken. Wir waren alle im 15. Stock im Zollamt einquartiert und benutzten täglich mehrmals den auffallend schnell fahrenden Lift. Die Prüfung fand in der 20 Minuten entfernten Schlachthausgasse statt. Um nicht von den anderen Kurskollegen mit deren Nervosität angesteckt zu werden, beschloss ich, zwar pünktlich, aber erst möglichst knapp zum Prüfungstermin zu erscheinen. Ich blieb lange in meinem Zimmer, machte mich auf den Weg zum Lift, stieg allein ein und wollte zum Erdgeschoß fahren. Die Lifttür schloss sich, doch der Lift bewegte sich keinen Millimeter. Ich drückte erneut die Taste Erdgeschoß. Mir wurde heiß und kalt. Mir fiel ein, dass ein junger, fescher Kollege aus der Parallelklasse einige Tage vorher absichtlich aus dem Fenster des Zollamtes in den Tod gesprungen war, weil er Angst vor der Prüfung hatte.
Es blieb noch mehrere Minuten lang still, dann gab es einen kleinen Ruck und der Lift fuhr ganz langsam bis zum 14. Stock. Die Türe ließ sich von mir öffnen und ich stieg sofort aus. Nun hatte ich keinen Mut mehr, es nochmals zu versuchen, sondern war froh, dass mich der Lift freigelassen hatte. Erleichtert stürmte ich die 14 Stockwerke zu Fuß hinunter. Etwas außer Atem kam ich in der Schlachthausgasse pünktlich an und konnte die Prüfung erfolgreich ablegen.
Das zweite Mal blieb ich im Lift im Finanzamt Kufstein stecken. Das Finanzamtsgebäude war ganz neu, der Lift war installiert und funktionierte, doch es gab noch keinen Notrufknopf. Am Freitag um 17 Uhr wollten mein Arbeitskollege Ludwig Langer, ein ehemaliger Weltkriegsteilnehmer, und ich, vom 3. Stock in das Erdgeschoß fahren.
Wir zwei stiegen in den Lift ein und die Tür schloss sich. Der Lift bewegte sich nicht, sondern es wurde plötzlich stockdunkle Nacht. Wir sahen überhaupt nichts. Uns war bewusst, dass die anderen Arbeitskollegen und auch die Reinigungsfrau ihre Arbeit bereits erledigt hatten und nicht mehr im Haus waren. Schlimmstenfalls müssten wir im dunklen Lift bis Montag auf unsere Befreiung warten.
Mein Kollege war Nichtraucher, kramte aber aus seiner Aktentasche ein Feuerzeug hervor, das er vorsichtshalber immer bei sich trug und sorgte für ein kleines Licht. Er konnte die Tasten wieder sehen und drückte nacheinander auf die verschiedenen Knöpfe und der Lift fuhr dann auch langsam abwärts. Zirka 1,5 m über dem 2. Stock blieb der Lift stehen und die Tür öffnete sich. Wir überlegten nicht lange und sprangen in den viel tiefer liegenden Gang hinunter.
Als ich das Finanzamt durch den Hinterausgang verließ, sprang unser großer, schwarzer Berner Sennenhund Bello hocherfreut auf, der öfters stundenlang neben meinem Fahrrad saß und auf mich wartete. Es war ein Glück, dass ich nicht alleine im Lift war und nicht bis Montag in stockfinsterer Nacht ausharren musste.
Am Montag in der Früh stand der Lift noch immer an derselben Stelle und musste repariert werden.
© Elisabeth Hechenbichler, geborene Hetzenauer 2022-10-21