by Phil_Humor
Ich hatte eine Wette verloren und musste mir nun den Namen meiner Freundin tätowieren lassen.
“Kann man das später durch ein Cover-up ĂĽbermalen? Was wĂĽrde sich da eignen?”
Ich ließ mir einige Motive zeigen; ich fand immer weniger Gefallen an diesem Projekt; nachher endete das doch mit einem Bodysuit, einem Ganzkörper-Tattoo – wenn man jede Erinnerung übermalen müsste. Der Tätowierer wischte meine Bedenken mit einer Handbewegung beiseite. Mir wäre es lieber, er würde sich auf den Schriftzug konzentrieren; da fehlte doch ein Buchstabe?
“Hoppla; den quetschen wir noch dazwischen.”
Fing ja gut an. “Was wĂĽrde denn so ein Full Sleeve kosten?” Ich tat so, als ob sich meine Skepsis in Grenzen hielt. Hielt sie nicht. Ich philosophierte ĂĽber Tattoos im Allgemeinen. Dass der Tätowierer sichtlich genervt war, nahm ich in Kauf.
“‘ZurĂĽck zum Tier!’ Könnte das die neue Losung sein?” Er zuckte mit den Schultern, was der Tätowierung nicht sonderlich guttat. “Sehnsucht nach dem Tierischen in uns; bricht das durch? Darf man nicht dazu stehen? Muss man immer so humanoid sein? Verdammung zum Mensch-Sein. Mensch-Sein-MĂĽssen. Ist ja auch wie ein Gefängnis; unausgesetzt, fortgesetzt konfrontiert mit den eigenen Gedanken; ein Tier hat das nicht.”
“Ja, Gedanken können lästig sein; besonders, wenn man sie anderen unaufgefordert mitteilt.” Seine Miene bekam etwas Verbissenes.
“Immer locker”, riet ich ihm. “Man gehorcht der Evolution, lässt sich von ihr vorantreiben; aber im Grunde empfindet man sie als so lästig wie ein Schaf einen Schäferhund.”
Sein Hund fing an zu bellen, offenbar fühlte er sich angesprochen; er zumindest hörte mir aufmerksam zu.
“Von Philosophie bekommt er Durchfall”, knurrte der Tätowierer.
“Na, das testen wir doch mal.” Toll, Kunde ist König – und hier saĂź jemand, der musste mir zuhören. Das Leben war doch schön. “Wann darf man tierisch gut drauf sein? Allgegenwärtige Moral; Anstand; irgendwelche Idealbilder schwirren um einen wie ein MĂĽckenschwarm; ständig ist man damit beschäftigt, einem dieser Ideal-Bilder nahe- oder näherzukommen. Schauspieler leben es vor, man will es ja imitieren. Aber man verleugnet die tierische Seite in sich, seine Abstammung, seine eigentliche Familie. Das Gehirn ist zu 80 Prozent tierisch. DarĂĽber gestĂĽlpt das Mensch-Sein. Auch der Hund wäre gerne wieder Wolf.” Dass der Hund nun gerade auf seinem Kauknochen rumkaute, verstärkte nicht mein Argument. “Sehnsucht nach Verwilderung, nicht immerfort an der Leine der Zivilisation zotteln zu mĂĽssen. Wann gibt man dem Tier in sich schon eine Chance? Bei Rave-Partys? Man kann sich nicht einfach ein Leoparden-Fell umhängen – man trägt schnieke Kledage. Man schiebt ihm alles Böse zu: Das Tier sei schuld; na klar. Der Mensch ist der Gute, der Protagonist. Deshalb hat der Teufel ja auch sein Markenzeichen ‘Pferdehuf’.”
Fortsetzung in Teil 2
© Phil_Humor 2021-11-15