In der Handweberei Weiss

Monika Bayerl

by Monika Bayerl

Story
Salzburg

Kurz vor Ladenschluss betritt die schlanke, elegante Gestalt den Verkaufsraum und sieht sich um. „Kann ich Ihnen behilflich sein?“, fragt Rupert Weiss freundlich, mit einem Hauch Ungeduld in der Stimme, möchte er doch gerne pünktlich abschließen. Keine Antwort. Die Gestalt wendet sich den größten Objekten zu, jenen Teppichen, die drei Meter Breite messen. Über das fremde Gesicht huscht ein schmales Lächeln. Die Finger der Hand deuten auf die Auswahl, wobei der Kunde in gebrochenem Deutsch sein Anliegen erklärt.

Der Webermeister ist daran gewohnt, dass Menschen aus vielen verschiedenen Ländern der Welt ihren Weg in die Stadt und in seine Weberei finden. Doch diesmal ist nicht klar, worauf der Gast hinaus will. Gestikulierend versucht man sich zu verständigen.

Es ist bereits halb sieben, als sich die Tür ein zweites Mal öffnet. Was für ein Glück, dass diese Person die Wünsche des Kunden ins Deutsche übersetzen kann. Vier Teppiche sollen es sein, mit einem großen Schlitz in der Mitte, damit man sie wie einen Umhang tragen kann. „Das wäre möglich“, meint Rupert Weiss zögernd, der sich über die ausgefallene Idee wundert. Ab dann geht alles ganz schnell, man bezahlt im Voraus, Lieferanschrift Wien.

Erst am darauffolgenden Tag erkennt der Inhaber seinen weltberühmten Kunden: Es war der sowjetische Balletttänzer und Choreograf Rudolf Nurejew, seit 1982 österreichischer Staatsbürger und seit 1988 Ehrenmitglied der Wiener Staatsoper.

Seit dieser Begebenheit sind 40 Jahre vergangen. Bis heute werden die Woll- und Baumwollteppiche der Handweberei Weiss nach den persönlichen Wünschen der Kundinnen und Kunden gefertigt. Sie liegen im mondänen Jagdhof in der Steiermark, in Tripolis oder im bayrischen Schloss Nymphenburg. Die gefärbte Wolle kommt aus Tirol und Deutschland, man kann zwischen 80 unterschiedlichen Farben wählen. Oder man bestellt persönliche Erinnerungsstücke aus eigenen Stoffresten, sei es Trussardi Hose, Herrenhemd oder geblümter Trachtenstoff.

Auf dem 200 Jahre alten Webstuhl des Urgroßvaters entstehen die Musterteppiche zur Ansicht. Im Obergeschoß des Geschäftes, das im Durchgang zwischen Griesgasse und Getreidegasse liegt, befinden sich zwei raumfüllende Handwebstühle.

Rupert Weiss, später auch Werkstättenleiter für Textiltechnik an der HTL, hat 1979 die Weberei von seinem Vater übernommen. Progressiv und voller Tatendrang überredete er ihn zum Kauf zweier Webmaschinen. Allzu rasch stellte sich heraus, wie unpraktisch sie für die Herstellung von Einzelstücken waren. So blieb alles beim Alten – jeder Teppich wird am hölzernen Webstuhl aus Kette und Schuss zusammengesetzt. Ob in der Leinwandbindung, mit feinen oder großen Noppen, als Rauten- oder Fischgrätmuster.

Immer wieder neu sind die Entwürfe und der Onlineshop. Sohn Maximilian Weiss führt das Geschäft, dessen Wurzeln bis ins Jahr 1843 zurückreichen, erfolgreich in fünfter Generation.

© Monika Bayerl 2023-01-28

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Biographies
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Inspirierend, Mysteriös
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