Am letzten Tag unseres Aufenthalts in Assuan schloss ich mich einer Gruppe junger Männer an. Sie hatten mich gefragt, ob ich mit ihnen das Mausoleum des Aga Khans besichtigen möchte. Wir ließen uns mit einem Boot in die Nähe des Hauses der Begum bringen. Von dort gingen wir eine Straße zum Mausoleum hinauf. Eine halbkreisförmig angeordnete Freitreppe führte zu dem mit einer Kuppel geschmückten Grabmal.
Nach der Besichtigung schritten wir auf einem Fußweg zum Simeonskloster. Es wurde im 8. Jahrhundert gegründet und fünfhundert Jahre später wegen Wassermangel aufgegeben. Der Klosterbau war noch relativ gut erhalten. Anschließend wanderten wir ein Stück durch die Wüste, ohne einem Menschen zu begegnen.
»Hier könnte uns leicht jemand überfallen«, meinte einer aus der Gruppe, der eine Hornbrille und meistens ein buntes Hemd trug. »Der Reiseleiter würde einen Suchtrupp schicken. Ich habe ihm erzählt, dass wir einen Ausflug machen«, erwiderte sein etwas korpulenter Freund, der ständig mit den Augen zwinkerte. »Was meint ihr, wenn wir einander fotografieren? Wie wir nach einem langen Wüstenmarsch kurz vor dem Verdursten sind.«
Alle waren einverstanden, ließen sich in den Sand fallen oder krochen wie ermattet dahin. Nachdem wir genug fotografiert hatten, kehrten wir von unserem Wüstenabenteuer zum Nil zurück.
Nachmittags brachte uns ein Bus zum Flughafen. Unsere Gruppe war gespannt, ob es diesmal mit dem Flug klappen würde. Das Flughafengebäude und die Rollbahn wurden von Soldaten mit schussbereiten Gewehren bewacht. Als wir im Flugzeug saßen, erhielt die Maschine die Starterlaubnis und flog nach Kairo.
Nach der Ankunft hieß man uns in einer Halle warten. Nach einer Stunde teilte uns ein Angestellter mit, dass unsere Koffer leider in Assuan zurückgeblieben waren. Die aufgeregten Reiseteilnehmer standen in Gruppen beisammen und schimpften. Ich gesellte mich zu den jungen Männern, mit denen ich den Ausflug gemacht hatte. »Meine Filme sind im Koffer«, klagte ich. Der Herr, zu dem ich in Abu Simbel etwas unfreundlich war, beruhigte mich: »Sollten die Koffer verloren gegangen sein, schicke ich Ihnen gern Kopien meiner Bilder. Mein Name ist übrigens Gerd.«
Im Hotelzimmer gab es zum Glück ein paar Toilettenartikel, sodass wir für die Nacht versorgt waren.
Am folgenden Tag suchten meine Mutter und ich das Hauptquartier der Touristen-Polizei auf. Ich hatte die Adresse von dem Leiter des Fototeams im Karnak-Tempel bekommen, nachdem sie Aufnahmen von mir gemacht hatten. »Die Bilder können Sie bei Doktor Ramses abholen«, hatte er mir versprochen. Ein Angestellter führte uns ins Büro und ich erklärte dem Polizeichef mein Anliegen. Er übergab mir die Fotos, die gut gelungen waren. »Wie gefällt es Ihnen in Ägypten?«, fragte er. »Sehr gut, bisher. Aber leider sind beim Rückflug aus Assuan die Koffer nicht mitgekommen.«
»Ich werde mich sofort darum kümmern«, versprach Doktor Ramses. Beruhigt kehrten wir ins Hotel zurück.
© Elke R. Richter 2022-05-06