Instaflame – Menschen

Jannis Lemke

by Jannis Lemke

Story
Berlin 2024

Eine halbe Stunde ist vorbei und noch immer hat kein echter Verdächtigter vorbeigeschaut. Hannes bestellt sich schon den zweiten Kaffee. „Kaffee ist aus!“ Entgegnet ihm der Kioskbesitzer schroff. „Könnt ihr mir denn etwas anderes anbieten? Einen Eistee zum Beispiel?“ „Neeee… Wir haben hier Bier und Wodka…und…“ „Schon gut, ein Bier bitte!“. Hannes überlegt. Vielleicht muss er den Kreis der Verdächtigen weiter aufziehen? Auch wenn die Onlinepräsenz von Dragonslayer_78 nicht wirklich feminin erscheint, kann er ausschließen, dass es sich bei ihr um eine Frau handelt? Vielleicht ist es die Dame dort hinten mit der Jogging-Hose und der Zigarette hinter dem Ohr? Auch sie scheint in der Laune zu sein, Drachen mit der bloßen Hand in Stücke zu zerreißen!

Hannes mustert die Frau genauer. „Ey, was glotzt du mir denn so frech auf die Titten?“, schnauzt sie ihn plötzlich an und rotzt demonstrativ in seine Richtung auf den Boden. „Tschuldigung!“. Nein, auch sie kommt nicht infrage, schließlich trug sie ein T-Shirt der ultrapopulistischen Rechts-Linkspartei, dabei hatte Hannes auf der Instaflame-Seite vom Drachentöter in der geposteten Karikatur auch einen Strick um den Hals deren Anführerin „Magenbrecht“ gesehen. Geduld!

Die Frau zieht ab, und Hannes verliert langsam aber sicher den Mut. Inzwischen ist ihm beim Warten auch ganz schön kühl geworden. Der Kaffeemantel wärmte besser als die Bierjacke. Vielleicht muss er sein Weltbild noch weiter umkonstruieren. Könnte der Gesuchte womöglich dieser senegalesische Priester sein? Das wäre wirklich eine überraschende Wendung für Hannes. Aber wieso nicht? Drachen findet man in so vielen Mythologien vor, vielleicht gelten sie ja in Afrika als eine Ausgeburt des Bösen und das Profilbild stellt somit eine heilige Botschaft dar.

Zugegeben, der Gedanke ist Hannes ein bisschen befremdlich. So ganz würde ein farbiger Prophet, der Hasstexte unter Poesie verfasst, von seinem „Reich“ spricht und Bilder von gehängten, deutschen Politikern zeigt, nicht in sein Weltbild passen… und zugleich schämt er sich für den Gedanken, ihn als Kandidaten für abwegig zu halten und vorschnell ausschließen zu wollen. Im 21. Jahrhundert sollte man Äußerlichkeiten doch nun wirklich keinen großen Wert mehr beimessen. Interessiert lauscht Hannes den Gesprächsfetzen zwischen dem Senegalesen und dem Kioskbesitzer. „Wie, Kaffee ist aus?“ – „Ja ich sage es doch, Junge, hier kannst du Bier haben oder etwas Hartes, was anderes gibt’s heut nicht mehr!“ – „Aber ich trinke doch kein Alkohol!“ Und schon wieder schwindet die Hoffnung, seinen Mann gefunden zu haben, dahin. Dieser letzte Satz disqualifiziert den Kandidaten in Femtosekunden Geschwindigkeit. Aus mit der Geduld. Hannes seufzt, bereit dazu, sich auf den Weg nach Hause zu machen.


© Jannis Lemke 2025-04-21

Genres
Novels & Stories, Humor & Satire
Moods
Komisch, Mysteriös, Reflektierend
Hashtags