Ich nahm den Aktenkoffer von dem Beifahrersitz und ging Richtung Haustür, schloss die große Tür auf und stieg in den Fahrstuhl ein. Alles geschah einhundert Prozent automatisch, ich tat diese Dinge wirklich jeden Tag. Die Tür des Fahrstuhls schloss sich und ich drückte die Taste für die siebte Etage. Unmittelbarer setzte er sich leise brummend in Bewegung. Ich lehnte mich an den großen Spiegel, den Kopf Richtung Ausgang gewandt und beobachtete die Anzeige in der Ecke über der Tür.
Zwei – Drei – Vier… Jedes Stockwerk benötigte etwa fünf Sekunden… Fünf – sechs – sieben.
Etage Sieben, verkündete eine formlose Frauenstimme aus den Lautsprechern. Ich richtete mich auf und ging einen halben Meter auf die Aufzugtüren zu. Aber es tat sich nichts. Der Ausgang öffnete sich nicht.
Die Türen blieben fest verschlossen wie eine frische Auster.
Ich drückte auf den ‚Türen öffnen‘-Knopf. Nichts passierte. In so einer Situation versucht man sich erst mal zu sortieren. Ich war in der siebten Etage meines Wohngebäudes. Der Strom war offensichtlich nicht ausgefallen, denn die Beleuchtung schien zu funktionieren. Der Aufzug bewegte sich ja zunächst, nur konnte man nicht aussteigen.
Option eins: in eine andere Etage fahren und die Treppe nehmen. Option zwei: wenn sich der Aufzug nicht mehr bewegt, dann muss man über den Notknopf die Notrufzentrale der Aufzugfirma kontaktieren. Mein Blick wanderte zu dem Knopf mit der Glocke darauf und der Unterschrift ‚Bitte drei Sekunden drücken.‘ Option drei: mit dem Handy Hilfe holen oder Option vier: warten bis andere Hausbewohner den Defekt bemerkten. Das konnte zumindest nicht lange dauern. Ich drückte auf den Knopf für die sechs und wartete.
Nichts passierte. Der Fahrstuhl machte keine Anstalten zum Leben zu erwachen. Kein Summen des Motors, kein Knacken, gar nichts. Es schien so, als wäre ich von grenzenloser Leere und Stille eingehüllt.
Die Anzeige zeigte immer noch an, dass ich in der siebten Etage war. Das Neongrün des kleinen Bildschirms schimmerte sogar so stark, dass mir die Augen schmerzten. Ich zog mein Handy aus der Tasche und wunderte mich. Kein Netz? Ganz klar, es wurde mir keine Verbindung angezeigt. Sehr untypisch für mein Wohnhaus, normalerweise konnte ich nämlich selbst im innenliegenden Hausflur telefonieren. Als ich meinen Rucksack griff und ihn nach vorne zog um mein Geschäftshandy hervorzuholen, durchfuhr der Schrecken meinen ganzen Körper. Ich begriff zunächst nicht, was genau nicht stimmte. Dennoch packte mich die Beklemmung mit ihrem würgenden Griff.
© Philipp Hellwig 2022-08-11