Die Rosen meiner Mutter
Ich bin in Landeck (Tirol) geboren und aufgewachsen, später nach Wien zum Studieren gegangen und geblieben. Landeck und Wien waren lange meine beiden Zuhause. Japan sollte es schon in den 1990er Jahren werden. Mein Freund studierte damals japanische Druckgrafiktechniken an einer Kunstuniversität in Tokio, ich schrieb in dieser Zeit an meiner Abschlussarbeit über den österreichischen Dichter H.C. Artmann. Die Trennung fiel uns schwer, bald war der Entschluss gefasst – meine Arbeit könnte ich auch in Japan fertig schreiben. So geschah es dann und wir blieben schlussendlich etwa 2 Jahre bevor wir wieder nach Österreich zurückkehrten. Sah ich meine Zukunft eher als Lektorin in einem Verlag, änderten die Begegnung mit H.C. Artmann und mein Aufenthalt in Japan, mit dem Erleben japanischen Papier- und Kunsthandwerks alles und führte nach unserer Rückkehr nach Österreich zur Gründung eines eigenen kleinen Verlags mit Schwerpunkt Künstlerbücher und Buchkunst. Die Publikation einer sehr aufwändig gestalteten Sammlung von österreichischen Haiku-Gedichten von H.C. Artmann stand am Anfang meiner Reise in die Buchkunst und zur Buchkünstlerin.
Als mein Freund bzw. mittlerweile Ehemann 2015 das Angebot aus Tokio erhielt, an der Kunstuniversität seiner Studienzeit zu unterrichten, überlegten wir gut – nicht zuletzt noch im Schock der schrecklichen und folgenschweren Erdbeben- und Tsunami-Katastrophe vom 11. März 2011 in Tōhoku – aber nicht wirklich lange und mittlerweile sind wir schon das unglaublich neunte Jahr hier. Japan war uns nicht mehr fremd, aber einiges hat sich seit den 1990er Jahren verändert. Spontan fällt mir ein, dass meine Mutter und ich uns damals regelmäßig Briefe geschrieben haben, das WorldWideWeb war ja gerade erst ein paar Jahre alt. Heute gibt es Skype, WhatsApp, FaceTime oder Signal um mit Familie schnell in Kontakt sein zu können. Das ist in einem Land, in dem die Erde ständig bebt und Taifune mit Windgeschwindigkeiten jenseits der 200 km/h blasen, eine große Erleichterung um schnell nach Tirol zu berichten, wie es uns in dieser Ecke Japans geht. Doch, wahrscheinlich ist es eher meine persönliche Wahrnehmung von Japan, die sich im Laufe der letzten Jahre verändert hat. Ich lebe in diesem Land, in dieser Gesellschaft und besuche nicht nur, ich habe die Zeit zu erfahren – und zu lernen. Als Kind in Landeck in Wald und Wiese aufgewachsen und später nach Wien in die Stadt gezogen, darf ich hier beides erleben. Tokio kann man nicht mit wenigen Worten beschreiben, für mich persönlich noch immer aufregend und anstrengend gleichzeitig. Unser Atelier in Chiba, der Nachbarpräfektur von Tokio, ist am Land und für mich Ruhepol, in dem ich nicht müde werde, die Schönheit der japanischen Natur und Jahreszeiten zu bestaunen und mich über sporadische Besuche von japanischen Schleichkatzen zu freuen. In unserem kleinen Garten hier habe ich 2020 einen Rosensteckling aus dem Garten meiner Eltern in Landeck gepflanzt, der zu einem wunderschönen Rosenstrauch gewachsen ist. Ich kann die Rosen von meinem Arbeitstisch aus sehen und in diesen Momenten ist Japan nicht mehr Tausende von Kilometer von Landeck entfernt.
© Elisabeth Parth 2024-07-16