Ich mag den Tod. Nicht unbedingt den körperlichen. Obwohl der manchmal eine Erlösung ist. Ich mag den Tod im Jedermann, der gerade wieder auf dem Domplatz zu Salzburg gegeben wird. Er spielt nicht die Hauptrolle in Hugo von Hofmannsthals Stück. Aber ohne ihn ist alles nichts. Im Mondseer Karlsgarten wird das Spiel vom Leben und Sterben des reichen Mannes sogar in Mundart vorgetragen. Eigentlich. Denn dies Jahr machen Jedermann & Co virusbedingt Pause, der Tod wird andernorts benötigt.
Die Hofmannsthal-Story passt perfekt in die heutige ICH-Zeit. Covid-19 hat der Lach- & Spassgesellschaft ihre Vergänglichkeit deutlich in Erinnerung gerufen. Auch wenn die Mortalitätsrate bei uns vergleichsweise niedrig und manches übertrieben scheint, die Bilder mit den gestapelten Särgen im nahen Bergamo werden wir so schnell nicht vergessen.
Was kommt nach dem physischen Tod? Haben wir eine Seele und wenn ja, was passiert mit ihr? Theologen und Philosophen diskutieren. Ist da ein Licht am Ende des Tunnels? Wenn ja, wer hat es eingeschaltet? Da es niemand weiss, kommt der Glaube ins Spiel.
Die meisten Religionen versprechen ein Leben nach dem Tod, das Eingehen in ein entrücktes Paradies, mit oder ohne Jungfrauen, sogar die Wiedergeburt. Könnte ich das bitte schriftlich haben? Mit Brief & Siegel? Sofort unterzeichne ich die Beitrittserklärung! Geologen und Theologen reden von Dingen, die sie nie gesehen haben. Der eine war nie (tief genug) unten und der andere nie (weit genug) oben!
A propos “oben”. Ich war einmal im Festspielhaus. Im August 2009 wohnte ich mit meiner Freundin der Oper „Moise et Pharaon ou le Passage de la mer rouge“, in 4 Akten von Gioachino Rossini bei. Die Karten hatte uns mein Bruder Sigi geschenkt, der sie wiederum von einem Geschäftskunden erhalten hatte.
So saßen wir elegant erste Reihe fußfrei direkt vor dem Orchestergraben. Die Handlung der von Jürgen Flimm in französisch inszenierten 3-stündigen Grand Opera war für mich sekundär. Mein Schul-Französisch reichte, um dem Verlauf folgen zu können: der Auszug der Israeliten unter Führung von Moses aus dem ägyptischen Exil ins gelobte Land Kanaan, was dem Pharao aber so gar nicht passte.
Primär faszinierte mich das Geschehen vor der Bühne. Dort im Graben saß mit der Wiener Philharmonie eines der besten Orchester der Welt unter der Leitung von Ricardo Muti. Einspielen der Instrumente, Auftritt Maestro, Applaus, Stille, die ersten Takte. Dutzende winzige Lichtpunkte im ansonsten finsteren Saal sorgten für einen ganz besonderen Zauber, den man in den hinteren Rängen gar nicht sehen konnte. Ein perfekt geschmiertes und eingestelltes musikalisches Räderwerk. Ein magisches Gesamtkunstwerk. Allein dies zu sehen und zu hören, war den Opernbesuch wert.
Wie die Flucht des Volkes Israel ausging, ist im Alten Testament nachzulesen. Die meisten Verfolger ertranken im Roten Meer. Der Tod hielt reiche Ernte, womit sich der Kreis zum Anfang dieser Story.one schließt.
© Klaus P. Achleitner 2020-08-07