Unsere Drillinge hatten vom Tag ihrer Geburt an jeder seinen eigenen Charakter und ein unterschiedliches Verhalten. Daran hat sich auch bis heute nichts geändert. Mein Mann und ich versuchen dies auch so gut es geht zu fördern. Letztendlich sind es einfach nur Geschwister, die rein zufällig am selben Tag zur Welt gekommen sind.
So hatte eben auch jedes Kind seine eigene Art, Dinge zu erlernen. Im Gegensatz zu Eltern, die Kinder unterschiedlichen Alters oder nur ein Kind haben, hatten wir immer einen direkten Vergleich ihrer Entwicklung.
Richtig aufgefallen sind diese Unterschiede erstmalig, als die Kinder ins Krabbelalter kamen. Hanna hatte schon immer das ruhigste Gemüt. Während Julian und Leni unermüdlich immer wieder neue Versuche starteten, zu krabbeln, schaute Hanna einfach nur zu. Wer sie nicht kannte, hätte den Eindruck bekommen können, sie sei in ihrer Entwicklung etwas weiter zurück als ihre Geschwister oder einfach nur ein faules Baby. Unsere Kinderärztin bereitete dies wohl trotz der Tatsache, dass sie 9 Wochen zu früh auf die Welt gekommen sind, etwas Sorgen und hatte damals für Hanna sogar eine Mobilitätskontrolle für notwendig erachtet. Wir haben dieser Kontrolle jedoch ganz gelassen entgegengesehen, da wir ja schließlich unsere Hanna kannten. So war es dann auch, ein paar Tage vor dem Kontrolltermin ist Hanna von jetzt auf gleich gekrabbelt.
Auch beim Laufenlernen nahm Hanna zunächst die Zuschauerrolle ein. Hanna saß einfach nur da und schaute scheinbar unbeteiligt Julian und Leni zu, wie sie sich an Stühlen, Tischen und Schränken immer wieder hochzogen und versuchten zu laufen, auf ihre kleinen Hintern fielen und wieder aufstanden. Ich hab damals oft gedacht: “Wie gut, dass die Pampers den Hintern polstert!”. Hannas Gesichtsausdruck beim Beobachten schien zu sagen: “Macht ihr euch mal müde. Mir ist das zu lästig. Ich schau euch lieber zu.”.
Lediglich wenn man Hanna an den Händen nahm, lief sie ein paar Schritte. Im Alter von 15 Monaten war dann der große Tag gekommen. Julian und Leni zogen sich am Wohnzimmertisch hoch und liefen mir stolz entgegen. Und Hanna? Hanna schaute wie immer einfach nur zu. Nach dem Mittagsschlaf saß Hanna auf dem Boden und blickte ihren Geschwistern hinterher, die durch das Wohnzimmer aus ihrem Sichtfeld flitzten. Dann war sie es scheinbar leid. Sie krabbelte zur Couch, zog sich hoch und lief ihren Geschwistern hinter her. Einfach so, ohne vorheriges lästige Üben. Es war ein aufregender und bewegender Tag. Unsere Mäuse hatten wieder einen riesigen Schritt in ihrer Entwicklung gemacht. Und mein Mann und ich hatten ab diesem Zeitpunkt auch noch mehr Laufarbeit zu leisten, wenn mal wieder jedes Kind in eine andere Richtung unterwegs war.
Mittlerweile sind die Kinder schon zehn Jahre alt und ich bin gespannt, in welche Richtungen sich die Drei noch entwickeln werden. Aber ich bin mir sicher, dass jedes Kind seinen eigenen Weg finden wird.
© Yvonne Geimer 2021-03-26