“Jetzt trink ma noch a Flascherl Wein”

Eva Filice

by Eva Filice

Story
Wien

„Jetzt trinkÂŽn ma noch a Flascherl Wein. Holloderoh! Es muss ja nicht das letzte sein. Holloderoh!“. Bei unbeschwerter Heurigenstimmung fordert der Autor dieses Wienerliedes bereits vor 1900 zu unmĂ€ĂŸigem Trinken auf. Ein Glaserl reicht auch! Ein Flascherl oder FlĂ€schchen bedeutet heute in Wien eine Bouteille mit 0,75 Liter, frĂŒher eine Flasche mit einem Liter Inhalt. Ein Stifterl mit 0,25 l ist beim Heurigen nicht anzutreffen. Die Wiener Sprache verkleinert die Substantive durch die Verwendung von Diminutiv-Suffixen. Die Endung -erl ist eine typisch wienerische Anwendung. Da wird ein Hund als Hunderl bezeichnet, der anderswo HĂŒndchen genannt wird. Typisch ist auch die Diminutiv-Endung vieler Vornamen: Hansi, Resi, Greti, Susi, Ferdi, Pepi. Wir trinken den Kaffee aus dem Heferl, den Saft aus dem Glaserl, essen ein Kipferl, streicheln das Hunderl und das Katzerl, manchmal auch das Kinderl. Das Schatzerl wird gefragt, ob ihm ein Henderl schmeckt. Das MĂ€derl freut sich, das Herzerl klopft. Wichtige Aufforderung fĂŒr Wiener Hundebesitzer:innen: Nehmt „a Sackerl fĂŒrÂŽs Gackerl!” „Das hat ka Goethe gÂŽschrieb’n, das hat ka Schiller dicht, is von kann Klassiker, von kann Genie. Des is a Wiener, der zu aner WienÂŽrin spricht, und sÂŽklingt halt doch so voller Poesie.“ So wĂŒrde ein anderes Wienerlied antworten, in dem der Drechsler Franz seiner blonden Resi auf Wienerisch Komplimente macht.

Sprechen Sie Wienerisch? Als Kenner der Wiener Sprache beantwortet Peter Wehle auf humorvolle Art die im Buchtitel gestellte Frage von A bis Z – Von Adaxl bis Zwutschkerl. Doch wie sprechen die Wiener:innen? Die Wiener Sprache hat viele Idiome. Als typisch könnte die weiche Aussprache der Konsonanten angefĂŒhrt werden und die breite Betonung mancher Vokale und Diphthonge (ei, au). In Wien wird durch die VerkĂŒrzung des PrĂ€fix „ge“ oft etwas gÂŽmacht, gÂŽredt, gÂŽlacht, gÂŽsagt, gÂŽhört. Das Meidlinger „L“ gibt es wirklich. In der zum Kult gewordenen Fernsehserie „Ein echter Wiener geht nicht unter“ lebt der Protagonist Mundl (gespielt von Karl Merkatz) mit seiner Familie in einer Mietwohnung in Favoriten, dem grĂ¶ĂŸten Wiener Gemeindebezirk. Bei Meinungsverschiedenheiten und bei Familienstreitigkeiten drĂŒckt er sich in derber Umgangssprache aus.

„Sprich schön!“, wird abgelöst von „Red wie dir der Schnabel gÂŽwachsen ist“. Kinder verwenden immer mehr Germanismen im alltĂ€glichen Sprachgebrauch. Das vermehrte Hören von SprachbĂŒchern drĂ€ngt die typisch wienerische Aussprache zurĂŒck und vermehrt bundesdeutsche AusdrĂŒcke in der Alltagssprache. Vor Jahren wurde das Burgtheater-Deutsch, ein wienerisch gefĂ€rbtes Hochdeutsch, bewusst gepflegt, abhĂ€ngig auch von der Auswahl der TheaterstĂŒcke und den Schauspieler:innen der Zeit (Familie Hörbiger). Das nĂ€selnde Schönbrunner-Deutsch, frĂŒher von einer adeligen Gesellschaftsschicht gesprochen, wird in alten Filmen durch den Tonfall und die Satzmelodie als Persiflage wiedergegeben. Durch Graf Bobby, von Peter Alexander gespielt, wird die Dekadenz dieser Zeit auch sprachlich vor Augen gefĂŒhrt.

„Was uns Österreicher von den Deutschen unterscheidet, ist die gemeinsame Sprache“, stammt laut neuesten Erkenntnissen nicht von Karl Kraus, dem der Spruch zugeordnet wurde.

© Eva Filice 2024-02-19

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Emotional, Unbeschwert, Reflektierend
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