by Pocahontas
Heutiges Etappenziel ist Cahors, eine Stadt im französischen Okzitanien. Wieder mal starte ich frühmorgens, da um diese Tageszeit die Temperaturen noch erträglich sind. Untertags hat’s hier um die 35°C oder mehr. Auf jeden Fall sehr schweißtreibend. Immer genug Wasservorrat mithaben ist die Devise und bei jedem Brunnen wieder auffüllen.
Gleich in der ersten kleinen Ortschaft übersehe ich eine Weggabelung und verlaufe mich. Keine Wegweiser weit und breit… Dank eines netten älteren Herrn finde ich nach einiger Zeit wieder zurück auf den Camino und marschiere gut gelaunt weiter. Die Laune steigt, als ich auf einem Pausenplatz André treffe. Es tut so gut bekannte Gesichter zu sehen. Wir machen Pause, genießen dunkle Schoki und Kekse und brechen gemeinsam auf, teilen ein Stückchen des Weges. Nach einiger Zeit fällt André zurück, jeder geht wieder in seinem Tempo. Die Weggefährten machen den Zauber aus, sie sind wie das Salz in der Suppe.
Apropos Salz… Die erbarmungslose Mittagssonne brennt vom Himmel. Der Schweiß fließt in Strömen. Das Salz auf meiner Haut scheint einem wunderschönen Schmetterling zu schmecken. Er macht’s sich auf mir gemütlich und ich beobachte ihn wie in Trance, als er genüsslich meinen köstlichen Schweiß verspeist. Ist das eine Fatamorgana? So stell ich mir Afrika vor, die Affenhitze, die Trockenheit, mein Kopf wie in Watte gepackt. Es ist anstrengend, geht trotzdem irgendwie immer weiter. Die Landschaft hier ist karg, viele Steine, sandige Wege und immer wieder sieht man steinzeitliche Dolmen am Wegesrand.
Ich mache gerade Pause als Peter in militärischem Gleichschritt in Windeseile an mir vorbeizieht. So schnell kann ich gar nicht schauen, ist er schon um die nächste Ecke verschwunden, wie eine Rakete. Ich merke wie mein Denken verlangsamt ist und so ist auch mein Schritttempo nicht annähernd raketenmäßig.
Langsam mach ich mich wieder auf den Weg. Die letzten Kilometer vor Cahors sind in eine skurrile, karge Wüstenlandschaft eingebettet. Wie ein Labyrinth geht’s zwischen dürren Bäumchen und Sträuchern dahin, alles sieht so gleich aus, als würde ich mich gar nicht vom Fleck bewegen.
Die Hitze macht mich echt fertig. Ich denke an Eis, Schnee und Kälte. Visualisieren hilft, mein Körper fühlt sich gleich viel besser an. “Jingle bells, Jingle bells, Jingle all the way…” lautstark beginne ich Weihnachtslieder zu singen. Dieser Trick wirkt tatsächlich, es kühlt den Körper ab! Zumindest hab ich das Gefühl und das ist doch alles was zählt. Eine musikalische Klimaanlage sozusagen. Also singe ich weiter. Auch als ich wieder auf André treffe, der etwas entgeistert aussieht. Weihnachten ist doch noch weit entfernt. Trotzdem steigt André in meinen Gesang ein und so nähern wir uns Weihnachtslied-singend im Hitzedelirium Cahors. Welch surreale Szene!
Jingle bells, Jingle bells, Jingle all the way… :-)
© Pocahontas 2021-03-19