Jochen Querdenker hatte im Wirtschaftsteil seiner Tageszeitung gelesen, dass es für erfolgreiche Unternehmen zwingend sei, an die Börse zu gehen. Wenngleich ein Autor, so doch ein erfolgreicher, überlegte er sich kühn, nun selbst mit seinem durchaus umfangreichen Portfolio eine Spekulationsplattform zu eröffnen. Er war Feuer und Flamme für seine Idee und überzeugt, dass ihm der Erfolg gewiss sein würde: tägliche Artikel und Blogs, monatliche Abhandlungen und jährlich mindestens zwei Buchpublikationen – das durfte sich doch sehen lassen.
Die Ernüchterung folgte auf dem Fuss: Von der Börsenaufsicht gab man ihm auf seine Anfrage nicht ganz ohne Verwunderung und entsprechend ironischem Unterton zu verstehen, dass er im literarischen Umfeld womöglich als erfolgreicher Autor zu bewerten sei, nicht aber im Sinne der internationalen Finanzbühne. Er habe wohl die Teilnahmebedingungen verkannt und ein dichterisches Portfolio mit den entsprechend aussichtsreichen Eckdaten eines Finanzportfolios verwechselt. Jochen fühlte sich verärgert und unter seinem Wert taxiert.
Hinzu kam noch die unglaublich ernüchternde Entdeckung, dass die Tageszeitungen seinen Namen auf schier ungebührliche Weise durch den Dreck schleiften. Querdenker hier, Querdenker da. Von Terroristen, Faktenignoranten, Aluhutträgern und von Verschwörern wurde da im Zusammenhang von beinahe allen wichtigen Tagesaktualitäten in seinem Namen geschrieben. Von einer Demo in Berlin war die Rede, organisiert von Querdenkern und Faschisten, obwohl, wie Jochen aus einem anderen Medium verwundert entnahm, dass da der Neffe des 1963 in Dallas ermordete JFK öffentlich aufgetreten sei und zur Menge gesprochen haben soll. Querdenkers Empörungspegel stieg nachgerade ins Wolkendicht des Himmels hoch, als er bei längeren Recherchen entdecken musste, dass es die meisten Tageszeitungen unterlassen hatten, diese Rede angemessen wiederzugeben. Die meisten erwähnten den Anlass nicht einmal.
Warum sollte der Neffe von JFK auf einer faschistischen Demonstration in Berlin mitmachen. Das ergab keinen Sinn. Jochen entschloss sich, der Sache weiter nachzugehen und musste feststellen, dass die Medien, denen er so uneingeschränkt Glauben geschenkt hatte, irgendein Komplott geschmiedet haben mussten, klang es doch aus allen Ecken und von allen Kanzeln herunter so, als ob hier ein Autor für alle anderen mitgeschrieben hatte. „Skandalös,“ fand Jochen Querdenker. Wenigstens, so durfte er abschließend festhalten, wurde hier nicht wirklich sein Name durch den Dreck gezogen. Dies machte die Sache aber nicht minder genüsslich, denn es wog für ihn viel schlimmer, dass es offenkundig war, dass man in den Medien die Leser und Konsumenten hinters Licht führte und ihnen Dinge schwarz auf weiß vorlog. Unterlassungen, Lügen und schale Meinungsmache entsprach dem plumpen Bleigewand, das man sich großmäulig, pflichtbewusst und maskengleich überzog.
© Proteusonfire 2021-02-04