Jugendliche für Nachrichten begeistern (2022)

Christian Imhof

by Christian Imhof

Story

In der Schweiz werden immer weniger Nachrichten konsumiert. Das zeigt eine neue Studie des Forschungszentrums Öffentlichkeit und Gesellschaft (Fög) der Universität Zürich in seinem am Montag veröffentlichten «Jahrbuch Qualität der Medien 2022». Darin steht unter anderem, dass Jugendliche keine Lust auf Nachrichten mehr haben sie und mit ihnen gerade mal schlappe sieben Minuten am Tag verbringen.

Auf den ersten Blick hat mir die Untersuchung einen kalten Schauer über den Rücken gelaufen, da ich in gewissen Mass von der Lesefreude der Leute beruflich abhängig bin. Auf der anderen Seite muss ich fast ein wenig sagen, dass ich die Jungen verstehe, denn der Journalismus hat es in den vergangenen Jahren regelmässig verschlafen, die nächste Generation abzuholen.

Die Jugendlichen sind nicht dumm
In meiner Karriere habe ich viele Journalisten getroffen, die sich für etwas Besseres hielten und darum Jugendliche, die eigentlich ganz gerne von ihren Träumen und Erfolgen erzählen würden, abschätzig und gewissermassen von oben herab behandeln. Jugendliche sind nicht dumm und merken sowas sofort. Wenn man Interviewpartnern nicht auf Augenhöhe begegnet, kann auch keine gute Geschichte entstehen. Das ist eine Tatsache, die viele Journalisten nicht begriffen haben. Weitere Gründe für die fehlende Lesefreude der Jungen sind sicher, dass immer mehr gespart wird, dass heute praktisch jede Zeitung gleich aussieht, dass nur wenige Medien auf Tiefgang setzen, dass viele sich eher mit Quantität statt Qualität hervortun, dass praktisch überall nur noch negative Nachrichten gebracht werden, dass alles im Internet gratis verfügbar ist und zu guter Letzt, da wenige Zeitungen Themen bringen, welche die Jugend überhaupt interessiert.

Jetzt erst recht!
Die Balance zu finden, neue Leserinnen und Leser zu gewinnen und gleichzeitig die Stammleserschaft nicht zu vergraulen, ist nicht immer einfach, aber essenziell für den Fortbestand eines Mediums. Es ist ein ewiger Prozess, aber es lohnt sich, für alle ein offenes Ohr zu haben und alle gleichermassen fair zu behandeln. Die Medien werden oft als vierte Gewalt der Demokratie bezeichnet und mir persönlich ist es wichtig, dass ich diese ehrenvolle Aufgabe auch in meinem beschränkten Rahmen gewissenhaft wahrnehme und mich als Journalist nicht für etwas Besseres halte. Denn was sind Medienschaffende ohne ihr Publikum? Wohl nur ein paar verkante Schriftstellerinnen und Schriftsteller… Schreiben für die Schublade mache ich auch hin und wieder gerne, aber lieber ist es mir doch, wenn meine Texte gelesen werden, jemandem ein gutes Gefühl geben und vielleicht sogar noch weiterempfohlen werden. Wenn dann mit der richtigen Haltung positive Dinge in die Welt gesetzt und sogar etwas bewegt werden kann, weiss ich für mich, dass ich nie etwas anderes wollte und ich das Privileg habe, meinen Traumjob auszuüben.


© Christian Imhof 2023-08-10

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