Kaffeefahrt

renate schiansky

by renate schiansky

Story

Gestern haben wir eine Bustour gemacht, die Gerti und ich. Zuerst nach Melk und dann in die Wachau. Kostet inklusiv Essen nur € 10,-, hat die Gerti gesagt, und ein Geschenk gibt’s auch noch! Na gut, warum nicht, hab ich mir gedacht. Ist vielleicht eine nette Abwechslung. Aber was soll ich dir sagen: schon beim Einsteigen in den Bus gab´s Drama. Alle wollten in der ersten Reihe sitzen! Das war ein Gedränge und Geschiebe, schlimm! Kaum fuhr der Bus los, wurden wir schon mit einem Werbevideo begrüßt; irgendwelche Töpfe und Pfannen, die angeblich so toll sind, die kochen schon beinahe alleine. Ja, wer´s glaubt. Ich hab mein Hörgerät rausgenommen, war mir zu dumm. Endlich war der Bildschirm wieder schwarz, und wir haben unser Geschenk bekommen. Einen Kochlöffel. Einen hässlichen, gelben Kochlöffel aus Plastik! Hab ich den Reiseleiter gefragt, ob das sein Ernst ist, meinte der süffisant, was ich denn will für 10 Euro. Hab ich gesagt, 10 Euro kostet die Busfahrt, das Geschenk sollte doch gratis sein, sonst wär´s ja kein Geschenk! Die Gerti hat sich ein bisserl geniert, aber die beiden Damen hinter uns haben gelacht.
Endlich waren wir in Melk. Erst ging’s hinauf zum Stift, da hieĂź es raus aus dem Bus, 15 Minuten das Stift bewundern, und wieder rein in den Bus, weiterfahren. Aber nicht vielleicht in die Stadt! Nein, „wir mĂĽssen pĂĽnktlich beim Essen sein!“, meinte der Reiseleiter. Gut, dachte ich mir, ich hab ohnehin schon Hunger. Na, wir gehen in dieses Gasthaus – also, die Ausspeisung nach dem Krieg war Luxus dagegen! Das Fleischlaberl war so winzig, das ich es beinahe nicht gefunden hätte, und das ErdäpfelpĂĽre so weiĂź, ich dachte erst, das wär Grieskoch! Immerhin, die Marillenschnitte war ganz gut. Aber kaum war das Essen beendet, hat sich der Reiseleiter zu einem Tisch voller Töpfe und Pfannen gestellt und losgelegt, wie toll die denn wären und dass wir die unbedingt kaufen mĂĽssen. Die wären auch ganz billig, der ganze Satz von 7 Pfannen nur € 899,- ! Ja glaubt der, ich hab einen Goldesel daheim? AuĂźerdem habe ich ohnehin noch das schöne rote Emaillegeschirr aus 1958. Das ist noch ganz in Ordnung! Aber der hat immer weiter geredet. Die Gerti wollte ihm schon ein kleines Häferl abkaufen, damit er endlich Ruhe gibt, aber das habe ich ihr ausgeredet. Wir hatten dann keine Lust mehr auf den Vortrag, und ein paar andere Damen wollten auch lieber spazieren gehen – aber, stell dir vor: Die haben den Saal abgesperrt! Damit wir nicht abhauen! Na hab ich ganz laut „Freiheitsberaubung!“ gebrĂĽllt und die Gerti hat mit ihrem Neffen, dem Anwalt, gedroht; und schnell war die TĂĽre offen und so gut wie alle drauĂźen. Der Reiseleiter war nicht sehr erfreut.

Eine Stunde später ging’s weiter, zum Heurigen. An einem langen Tisch standen ein paar Brotkörbe und Tiegel mt Schmalz. Ja wer soll denn das essen? Wir haben doch alle mit dem Magen zu tun; mit Cholesterin und Gallensteinen! In einer Ecke hat ein Bub Volkslieder am Akkordeon gedudelt, den hat das offensichtlich total angeödet. Mich auch! Ich hab ihm einen Zehner zugesteckt und gesagt, er soll Rock’n´Roll spielen – und plötzlich war Stimmung in der Bude! Sogar getanzt haben wir! Ja, am Schluss war der Tag doch noch ganz lustig. Aber morgen gehen wir es ruhig an, die Gerti und ich. So viel Action ist auf Dauer nicht gut für den Blutdruck.


© renate schiansky 2024-09-30

Genres
Humor & Satire
Moods
Herausfordernd, Emotional, Komisch, Inspirierend, Unbeschwert
Hashtags