“Nein!”, donnerte Morgan. “Sie gibt euch kein Versprechen.” Lyssa straffte die Schultern und begegnete dem Blick der Zirkeloberen. Sie würde nicht nachgeben. Konnte Morgan nicht sehen, dass sie das nur für ihren Zirkel tat?
“Zu spät”, säuselte der Wassergeist. “Sie hat es bereits gegeben.” Ihr Mund verzog sich zu einem furchterregenden Grinsen, bei dem ihre spitzen Zähne sichtbar wurden. Die anderen kicherten ausgelassen.
Morgan wandte sich wieder an die Wassergeister. “Ihr könnt mein Versprechen haben. Ihres bekommt ihr nicht.” Lyssa warf Morgan einen wütenden Blick zu, sagte jedoch nichts.
“Zu spät”, wiederholte der Wassergeist nur.
“Was wollt ihr mit ihrem Versprechen, wenn ihr meines haben könnt? Das der Zirkeloberen des mächtigsten Zirkels der Bluthexen?”
“Wir können warten”, antwortete ein Wassergeist am Rand, während sie sich ihre langen Haare aus Wasser mit den Fingern durchkämmte. “Du bist nicht ewig. Macht entwickelt sich, sie fließt dahin, wie Wasser.”
“Wir können warten”, stimmte ihr zwei weitere mit einer Stimme zu.
“Wollt ihr nun euren Lohn haben?”, fragte der Wassergeist in der Mitte schelmisch.
“Ja”, antwortete Lyssa, bevor Morgan etwas sagen konnte. Die alte Hexe murmelte wütend etwas Unverständliches, von dem Lyssa nur dummes Mädchen aufschnappen konnte.
“Ihr müsst dem Bach folgen”, sagte der erste Wassergeist.
“Bis ihr an eine Brücke kommt, die ihr nicht betreten dürft”, ergänzte die nächste.
“Geht weiter, bis zu einem Menhir. Der Stein markiert den Ort”, sagte die dritte in der Runde.
“Dort ist eine Brücke. Ihr müsst nur für sie bezahlen”, sagte die vierte.
“Eine Brücke aus Licht.” Die fünfte vollführte eine Pirouette im Wasser, bevor sie weitersprach. “Ihr müsst sie überqueren, wenn ihr das Herz finden wollt.”
“Folgt dem Pfad aus Licht und ihr findet, wonach ihr sucht”, sagte die sechste.
“Doch eilt euch”, mahnte die letzte der Sieben. “Noch vor der ersten Stunde des neuen Tages müsst ihr dort sein.”
“Die Zeit eilt, kleine Hexen”, säuselte die erste wieder. “Geht nun.” Sie räkelte sich wieder auf dem Stein, den Blick gen Himmel gerichtet. “Wir finden dich, kleine Feuerhexe, um unser Versprechen einzulösen.” Die anderen sechs lachten hell auf. Lyssa kniff die Zähne zusammen und wandte sich von den Wassergeistern ab, ohne ein Wort zu sagen. Andromeda folgte ihr und auch Morgans wütende Schritte fielen neben ihr ein.
“Dummes Mädchen”, fauchte sie erneut. “Wieso bist du nicht gleich zu ihnen ins Wasser gestiegen, wenn du deinem kurzen Leben so unbedingt ein schnelles Ende bereiten willst.”
“Ich hatte keine andere Wahl”, fauchte Lyssa zurück. “Ich brauche ihre Hilfe, oder wie hätten wir sonst das Herz des Waldes finden sollen?”
“Es gibt noch andere Wesen des Waldes, Mädchen.” Das Wort Mädchen spuckte sie förmlich aus. “Es gibt immer andere Wege.”
“Sie muss ihren eigenen Weg gehen, Morgan”, schaltete sich Andromeda endlich ein. “Es war ihre Entscheidung. Also lass jetzt gut sein, wir haben morgen noch genug Zeit darüber zu streiten.”
Lyssa warf Andromeda einen dankbaren Blick zu. Morgan grummelte nur wieder wütend vor sich hin. Die Worte hirnrissig, unverschämt und leichtsinnige Göre waren klar rauszuhören.
© Sarah-Maria Frings 2024-09-04