Verwundert sah Winter ihren Entführer an, ihr Blick voller Fragen. „Ausgebildet? Was meinst du damit?“
Er lächelte schief, als ob er genau auf diese Frage gewartet hätte. „Ich verstehe deine Verwirrung, aber mal ehrlich, denkst du wirklich, ein normaler Siebenjähriger könnte einfach so einen erwachsenen Mann umbringen?“ Er sah sie mit durchdringenden Augen an, suchte in ihrem Gesicht nach einer Reaktion. Winter schüttelte langsam den Kopf, unfähig, eine passende Antwort zu finden.
„Ich habe es für dich getan“, fuhr er fort, seine Stimme wurde leiser, beinahe sanft. „Ich habe nachts immer euer Haus beobachtet, versteckt im Dunkeln, unsichtbar. Ich habe gesehen, dass er in dein Zimmer kam. Ich wollte dich schützen. Ich habe dich geliebt, seit ich dich das erste Mal gesehen habe.“ Seine Worte trafen Winter wie ein Schlag. Sie spürte, wie ihre Kehle trocken wurde und ihre Hände begannen zu zittern.
Sie blinzelte mehrmals, versuchte, die Gedanken zu ordnen, die in ihrem Kopf rasten. Gerade als sie den Mund öffnete, um etwas zu sagen, hallte ein lauter Knall durch den Raum. Winter zuckte zusammen, als hätte sie einen Schlag bekommen. Jemand hatte die Haustür aufgebrochen.
Birdie geriet in Panik. Seine Bewegungen wurden hektisch, seine Augen weit vor Angst. Mit einer schnellen Bewegung löste er die Fesseln an Winters Handgelenken. „Komm“, rief er, seine Stimme überschlug sich beinahe vor Aufregung. Er stürzte zur Wand, die sich wie durch ein geheimes Signal öffnete. Rauch drang durch den Flur und flutete den Kellerraum, als die Kellertür aufbrach.
„Ich kann dir alles erklären“, flehte Birdie. „Bitte, komm mit mir.“ Er streckte seine Hand nach ihr aus, in seinen Augen lag ein verzweifeltes Flehen. Winter sah die ausgestreckte Hand und spürte, wie das Verlangen nach Antworten in ihr aufstieg.
In diesem Moment trat Müller in den Raum. „Winter, schnell! Nehmen Sie meine Hand!“, rief er, seine Stimme war fest und klar, ein Anker in dem Chaos um sie herum.
Winter stand zwischen den beiden Männern, hin- und hergerissen. Das Geheimnis, das Birdie ihr bot, reizte sie zutiefst. Es versprach Antworten, Erklärungen, vielleicht sogar eine Art von Frieden.
Sie schloss die Augen, lauschte dem inneren Sturm in sich und atmete tief ein. Dann, ihrem Instinkt folgend, griff sie nach einer der ausgestreckten Hände.
© Emily Nettelbeck 2024-08-26