Kapitel 9: Zum Lohn

Neo Knieps

by Neo Knieps

Story

Als Kai langsam mit der Spitzhacke, die ihm für seine erste Arbeit in den Sehgaminen gegeben wurde, an der Steinwand kratzte, kamen drei Jungen auf ihn zu. Sie stellten sich gespannt hinter ihn, schauten über seine Schulter und achteten ungläubig auf jede seiner Bewegungen. “Siehst du das?”, fragte Kai erstaunt, ohne damit jemanden bestimmten zu meinen. “Wo?”, fragte einer. “Da”, antwortete Kai und zeigte auf die Stelle. Sie kamen näher. Einer nahm ihm die Stange ab, klopfte, schabte, fluchte. Dann – ein leises Knacken. “Unglaublich”, sagte einer mit weit aufgerissenen Augen. “Bei Karan …”, murmelte ein anderer. Unter der obersten Steinschicht kam es zum Vorschein: ein dunkler Aderstrang, fast schwarz, durchzogen von goldenen Linien, die selbst im Halbdunkel der Miene schimmerten. “Sehgaerz”, sagte ein älterer Mann. Arden trat neben Kai. Für einen Moment regte er sich kaum, seine Hand leicht an Kais Schulter, als wolle er sichergehen, dass das wirklich passierte. Dann schüttelte er den Kopf. Niemand sagte mehr etwas. Sogar die Hämmer hielten inne. Eine junge Frau hielt ihre Hand an ihre Stirn und zitterte vor Aufregung. Ein kleiner Junge zog an ihrem Ärmel und schaute fragend. Eine Frau im Rollstuhl ließ ihren Korb fallen, aus dem Kohlenstücke fielen. “Du hast das gefunden?”, fragte jemand. “Wie?” wollte ein Mädchen wissen. “Ich habe es gesehen”, erklärte Kai emotionslos. Die Leute schauten sich an. Einer grinste. “Der Junge hat Glück, seit zwei Jahren gab es keinen einzigen Fund mehr”, sagte er. “Das erste Mal hier und läuft gleich gegen eine Ader.” Lachen. Schulterklopfen. Keine weiteren Fragen. Sie schickten ihn hoch. Nicht zu den Tischen, sondern durch eine Seitentür, an einem vergitterten Fenster vorbei, über eine kleine Treppe in ein Büro, das feucht roch. Da saß er. Der Minenleiter. Ein großer Mann, breitschultrig, mit einem Bart wie verwachsener Stein. Seine Stirn glänzte. Seine Finger trommelten auf dem Tisch. Als Kai hereinkam, sah er nicht auf. “Wieder ein Verletzter?”, knurrte er. Die kleine Frau, die Kai begleitet hatte, sagte ruhig: “Er hat es gefunden – Sehgaerz. Ein Aderstück. Es ist echt.” Der Blick des Leiters veränderte sich. Langsam hob er den Kopf. Er musterte Kai. Erst argwöhnisch, dann mit einem Ausdruck, der beinahe freundlich wirkte – beinahe. “Na wenn das so ist, setz dich mein Sohn.” Der Minenleiter holte einen Hocker unter seinem Tisch hervor und stellte ihn, die Augen auf Kai gerichtet, auf die andere Seite des Tisches. Als er wieder auf seinem Sessel Platz genommen hatte, legte er seine Hände, die er zu Fäusten gefaltet hatte, auf den Tisch und atmete tief aus. “Wie heißt du?”, fragte der Mann. Sein offensichtlich gespieltes Interesse beeindruckte Kai kaum. Dennoch war er sich im Klaren, dass es besser für ihn wäre, so zu tun, als ob er auf seine Tricks hereinfallen würde. “Kai”, stellte sich Kai vor. Ein Nicken, ein kurzes Schweigen, dann ein Lächeln – breit, fast väterlich. “Kai. Das ist ein Glückstag. Für dich und für uns.” Er beugte sich vor. “Ich will dich behalten. So jemanden wie dich brauchen wir hier.” Kai schwieg. “Wie wär’s mit einer festen Stelle? Ein gutes Heft, nicht so ein loser Zettel. Kleidung, Werkzeug”, bot der nun etwas ungeduldiger wirkende Mann Kai an. “Wenn mein Bruder auch angestellt wird und eine gute Ausrüstung bekommt”, forderte Kai zögerlich. “Das lässt sich einrichten”, versprach der Minenleiter. “Arden ist mein Bruder. Nur damit Sie es wissen”, erklärte Kai. “Ja genau, den kenne ich. Ich hab gehört, er ist gut. Loyal. Wer das Sehgaerz findet, darf Wünsche äußern und ihre Verwandten auch.”

© Neo Knieps 2025-04-24

Genres
Science Fiction & Fantasy
Moods
Herausfordernd, Emotional, Angespannt
Hashtags