Kenntnisüberprüfung und -erweiterung

Annemarie Baumgarten

by Annemarie Baumgarten

Story
DDR/BRD 1984 – 1992

Ich gehörte von 1982 bis 1990 zum Leserkreis des Stenopraktikers, Verlag Die Wirtschaft Berlin. Sein Motto: “Wer stenografiert und Maschine schreibt, arbeitet rationell und spart Zeit.” Wir wurden in der Berufsschule in die Gesellschaft für Stenografie und Maschinenschreiben (GSM) aufgenommen und erhielten dann automatisch diese Zeitschrift mit Übungstexten, Witzecke, Mode, Informationen über nationale/internationale Wettschreiben – Schulleistungsschreiben bis WM – allgemeinbildenden Beiträgen, viele davon stenografisch geschrieben. In allen 39 Jahrgängen, in denen die Zeitschrift erschien, fand ein Übertragungswettbewerb statt. Mit der Neugestaltung/Umbenennung in “Büropraktiker” fiel der Wettbewerb 1992 weg. Ich beteiligte mich ab 1985. Man musste alle Monatsaufgaben an die GSM einschicken, um in die Jahresbilanz zu kommen. Einsender sehr guter Arbeiten (höchstens sechs Fehler übers Jahr) wurden mit einem Buchpreis ausgezeichnet. Legte man einen Freiumschlag bei, wurden die korrigierten Arbeiten zurückgesandt. 1990 erreichte ich den 1. Platz in der Briefgestaltung. Nach der Wende mussten wir uns auf die in der BRD gültigen Gestaltungsnormen umstellen.

Nach der Lehre hatte ich von Schule die Nase voll. Nach 12 Jahren ununterbrochenen Lernens wollte ich erst mal meine Ruhe und nahm das Angebot, am Mittwochstraining in der Berufsschule teilzunehmen, nicht wahr. 1986 kam eine entscheidende Wende in meiner Einstellung: Im Stenopraktiker S. 78/86 (Stenografische Umschau) las ich, dass Heidrun Schirmer Mitglied der Steno-Nationalmannschaft wurde, nachdem sie im Vorjahr DDR-Jugendmeisterin war. 1984 gewann sie den Leistungsvergleich des Bezirks Leipzig und den DDR-Leistungsvergleich, letzteren mit einer noch nie erreichten Punktezahl. Das spornte mich ungeheuer an. Wir lernten zur gleichen Zeit, sie ist einen Monat jünger als ich. Kurzschrift üben ist nicht so gut, dachte ich mir. Ich glaubte nicht über 180 Silben hinauszukommen. Vor dem Lehrabschluss hatte ich eine Sonderprüfung über 180 Silben abgelehnt. Wer in Maschinenschreiben oder Kurzschrift nicht ganz die Facharbeiterleistung erreichte, konnte im jeweils anderen Fach mehr Anschläge/Silben nachweisen und bekam sein Zeugnis, wenn die anderen Prüfungen bestanden waren. Vor dem Sekretärinnenlehrgang drückte ich mich. Vorgenannte Silbenzahl musste nachgewiesen werden, die Befähigung zur praktischen Lehrlingsausbildung wurde erworben. Das wollte ist nicht. Es liegt mir nicht. Bis zur Schließung unseres Betriebes 1991 wurden keine Schreibtechniker mehr ausgebildet, ich wäre nie in diesen “Genuss” gekommen. Vorher kann man das nie wissen. 1983 begann ein junger Mann seine Ausbildung zum Wirtschaftskaufmann, wir waren selbst noch Lehrlinge.

© Annemarie Baumgarten 2024-04-16

Genres
Biographies
Moods
Hoffnungsvoll