Kevin und Albert

Alexander Heller

by Alexander Heller

Story

Ich bin nicht der Klügste. Wer es nicht glaubt, kann gerne meine Autokorrektur fragen. Welche simplen Wörter sie für mich korrigieren darf ist mehr als erschreckend. Es gibt bestimmt Momente, in denen sie sich für mich schämt und das ist in Ordnung. Man kann nicht immer nur stolz aufeinander sein. Es tut mir auch ein wenig leid für sie, aber zu meiner Verteidigung sei gesagt, dass ich jede erdenkliche Rechtschreibreform live und in Farbe miterleben durfte. Zudem ist es ihr Job und den erledigt sie sauber und diskret.

Der Dümmste bin ich allerdings auch nicht. Dummes denken, darin bin ich dafür Meister mit Auszeichnung und Ehrenurkunde.

Es war ein warmer Sommermorgen. Ich saß auf einem klapprigen Stuhl vor dem Bäcker, der einzige mit Siebträgermaschine. Ich selbst besitze keine Kaffeemaschine, daher war ich froh morgens einen Laden gefunden zu haben, bei dem wenig los ist und der exzellentes braunes Gold produziert. Während die Sonnenstrahlen meinen Vitamin D Haushalt auffüllten, tauchte in der Ferne ein Mann auf. Er hatte einen Hund dabei, ein wahnsinnig süßen Jack Russel Terrier. Der Mann telefonierte und nachdem die linke Hand von ihm schon durch einen Kaffeebecher besetzt war, hielt er die Leine in derselben Hand wie sein Handy. Eine Szene, der normalerweise keine Beachtung geschenkt wird. Dem dummen Teil meines Kopfes – Ich nenne ihn ‚Kevin‘ – schien es aber langweilig zu sein und so startete das Gedankenkarussell.

Der Mann schlenderte auf mich zu, während die Leine zwischen Ohr und Hund hin- und herpendelte. Ich beobachtete seinen Gang, wie er leicht wippte bei jedem Schritt. Mein Blick fiel schließlich auf das Ohr-Leinen-Hund-Konstrukt und mein erster Gedanke war: „Schau an, ein Leinen-Telefon. Der hat bestimmt immer guten Empfang. Ob der Terrier schon 5G sendet, und haben größere Hunde generell einen stärkeren Empfang?“. Ich realisierte, was ich gerade gedacht hatte und nun kam der schlimmste Teil des Gedankenkarussells. Mein kluger Teil des Kopfes – Liebevoll ‚Albert‘ genannt -versucht Kevin davon zu überzeugen, dass es totaler Mumpitz ist, was da gerade durch den Kopf schwirrt. Kevin der kleine Sturkopf lässt sich nicht so einfach überzeugen: „Der Mann hat ein Leinen-Telefon. Wie sonst sollte er an dieser Ecke telefonieren können, wo wir doch mit unserem Handy keinen oder kaum Empfang haben?“. Ich musste zugeben, der Punkt ging an Kevin. „Es ist technisch nicht möglich, dass Leder als Verstärker fungiert. So funktioniert Physik nicht!“ Der innere Dialog ging noch eine Weile. Ich bin stolz auf die Beharrlichkeit von Albert, denn meistens gewinnt er dadurch die Diskussion.

Der Mann war mittlerweile über alle Berge. Vielleicht ist er aber auch nur in die nächste Straße eingebogen. Ich war zu sehr beschäftigt den Argumentationen von Kevin und Albert zu folgen.

© Alexander Heller 2021-11-09

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