by Kim Corrigan
Maeve und ich sitzen wie jeden Abend vor dem dünnen Fenster unserer hölzernen Hütte. Matt schlägt sich unser Atem auf der kalten Scheibe nieder. Hinter uns zündet Mutter eine Kerze an, während das Feuer im Kamin langsam erlischt. Murrend zerre ich das fleckige Leinen vom Fensterrahmen hinter meinen Kopf. Die geheime Welt im Glas verschwindet und ich kann den platt getrampelten Pfad, der sich durch das hohe Gras bis zum Waldrand vor unserer Kate windet, wieder erkennen. „Schlafenszeit“, flüstert Mutter hinter dem Vorhang, aber ich möchte noch nicht gehen. Ich will am Fenster warten, wie jeden Abend, bis Vater von seiner Arbeit im Dorf zurückkehrt. Leise wiegt sich die kleine Laterne am windschiefen Tor in den Schlaf. Hin und her. Mit ihr die kleine Flamme der vergilbten Kerze, die Willkommen in die Dunkelheit flüstert. Das kleine Licht verschwimmt vor meinen Augen. In scheinbar weiter Ferne singt meine Mutter Maeve in den Schlaf. Liebe Lise folge nicht dem Licht. Ganz allein und noch so klein. Lise läuft allein im Wald. Vater hat uns schon öfters über den von Wurzeln zerfurchten, schmalen Pfad zwischen all den kleinen, weißen Blütenpaaren unter den Bäumen des Waldes ins Dorf geführt. Maeve schwört, dass sie einst auf einer Lichtung Elfen hat tanzen sehen. Ich habe leider nie Elfen gesehen, aber an einem späten Sommerabend, als Maeve und ich mit unserem feuerroten Drachen gespielt haben, habe ich es gesehen. Die Leine riss und der Wind entführte ihn wirbelnd in die Lüfte. Sofort sprang ich über unseren verwitterten Gartenzaun. Ich hörte die Rufe meiner kleinen Schwester nicht, erinnerte mich nicht an die Warnung des Liedes. Ich stolperte blind über die Stämme, die sich mir in den Weg schoben. Beachtete nicht die Äste, die mit kleinen Klauen an meinen Kleidern zogen. Wäre es nicht direkt vor mir in den knorrigen Wurzeln der alten Eiche aufgetaucht, wäre ich die Schlucht hinab gestürzt, die den seichten Hügel jenseits des letzten Wächters des Waldes ohne Warnung verschlingt. Aber da war es klein und blau, flimmernd in der Dunkelheit. Vergessen der Drachen, vergessen der dunkle Wald, vergessen die wilde Jagd. Das Irrlicht wippte hin und her, führte mich weg vom Abgrund durch die Schatten zurück zu unserem schiefen Tor. Das Dorf erzählt, dass sie einsame Seelen tief in den Wäldern in Moore führen. Aber seit dieser Sommernacht glaube ich, dass sie uns warnen wollen, wie Leuchttürme auf stürmischer See und die einsamen Wanderer sie missverstehen. Maeve schwört, sie hätte die kleine Flamme auch gesehen, bevor sie an unserem Gartentor erlosch. Mutter hebt mich leise hoch. Vater ist noch nicht nach Hause gekommen, aber ich weiß egal, wie finster es draußen auch wird, ein kleines blaues Licht wartet darauf, Verirrte zurück zu ihren Lieben zu führen. Still erlischt die zarte Flamme der Laterne am Tor. Ihr Rauch zieht einen Faden durch den Wald, bis zu einer alten, knorrigen Eiche, in dessen Wurzeln man ein kleines, blaues Flimmern sehen kann.
© Kim Corrigan 2022-08-31