Klo am Gang

Doris Neidl

by Doris Neidl

Story

Meine erste Wohnung in Wien war eine Wohnung, wo das Klo am Gang war. Man konnte auch gleichzeitig duschen und kochen. Das war praktisch. Die Wohnung kostete, glaube ich, 250 Schillinge, oder so. Als mein Vater die Wohnung sah, musste er sich hinlegen und ich glaube, es flossen auch ein paar Tränen über seine Wangen. Er wollte mir Geld geben, damit ich mir eine gescheitere Wohnung nehme, aber das wollte ich nicht, weil, wo kommen wir da hin, eine erwachsene Frau Geld von ihrem Vater. Der Schock war nur deshalb so groß, weil wir zuvor in der Wohnung meiner reichen Cousine waren, nämlich ein 150 m2 Penthouse im dritten Bezirk. Ich mochte meine Wohnung trotzdem, irgendwie. Wenn man in der Nacht aufs Klo musste, war’s ein wenig blöd, aber das passierte eh nicht so oft, Blasenschwäche hatte ich ja nicht.

Der Frank zum Beispiel hatte in Marseille eine Wohnung, wo das Klo direkt im Raum war. Da musste immer der, der nicht auf die Toilette musste, hinausgehen und warten.

In unserer Wohnung in Paris war das Klo direkt beim Küchentisch. Fast wie in Louis Bunuels Film „Le Fantôme de la liberté“, wo die Sessel Kloschüsseln waren. Der Freund meiner Mitbewohnerin hat immer zu ihr gesagt:”Brunzt du oder spülst du?”

Vor Kurzem war ich bei jemanden eingeladen, da war die Klosituation auch so wie in Paris, vom Esstisch direkt ins Klo. Das ist total peinlich, wenn man jemanden nicht kennt. Nach drei Bier musste ich so dringend, dass ich mich nicht mehr aufs Gespräch konzentrieren konnte. Es war wirklich schrecklich, bis ich es nicht mehr ausgehalten habe und ich ganz dramatisch sagte, Ich muss jetzt aufs Klo. Der Bernd nahm seine Gitarre und hat ganz laut gespielt und gesungen. Ich glaube, es war sogar Magnetic Fields, das fand ich schon total nett. Als ich fertig war, hat er wieder aufgehört.

Mir fällt das mit dem Klo nur jetzt ein, weil ich gerade Wohnung suche, und die einzig leistbaren Wohnungen sind die, mit Klo am Gang.Weil ich will halt mein Atelier auch behalten. Wenn das Klo nicht am Gang ist, steht dann “Schnäppchen”, 30 m2, 750 Euro. Leider muss ich aus meiner geliebten billigen Wohnung ausziehen, weil Immobilienhai, Dachausbau, Luxuswohnungen.

Also habe ich bei Gemeindewohnungen geschaut und den Wohnticket Test gemacht und bin durchgefallen. Erstens bin ich nicht alleinerziehend, zweitens auch nicht obdachlos, drittens kein Senior und viertens habe ich auch keine Behinderung. Ich habe aber ein Wohnticket für eine geförderte Wohnung bekommen. Da habe ich mich jetzt für einige Wohnungen eingeschrieben und ich bin die 2000ste Bewerberin. Die Chancen stehen also gut.

Gestern habe ich dann aber trotzdem bei Wien Wohnen angerufen und gesagt, dass ich eine Gemeindewohnung will. Und da hat mir die Dame gleich gesagt, dass ich nicht obdachlos, alt, alleinerziehend oder behindert bin. Also, sorry, no way. Und ich habe gesagt, naja, behindert bin ich schon irgendwie, nämlich emotional. Da lachte die Dame und hat mir doch einen Termin gegeben. Wish me luck.

© Doris Neidl 2022-04-13