Klobürsten Angriff ~ Krankenhaus-Storys I

Shelly Further

by Shelly Further

Story

Als Gesundheits- und Krankenpflegerin stehe ich des Öfteren nach meinem Dienst fassungslos in meiner Umkleidekabine und denke mir „Das glaubt mir kein Mensch!“

„Kannste keinem erzählen ey“, sprach meine Kollegin an einem Tag vor drei Jahren meinen Gedanken laut aus. 

Nichtsahnend hatten wir am Mittag unseren Bereich übernommen. Herr S. sei heute zunehmend verwirrt. Okay, nichts Neues. Auf einer Kardiologie ist der Altersschnitt meist recht hoch. Ein Delir tritt häufig mal auf. Die Kollegin berichtete, sie habe die Tochter angerufen. Diese sei jetzt da. Ein bekanntes Gesicht helfe ja häufig damit die Betroffenen sich etwas beruhigen. Manchmal aber eben auch nicht. Wie wir an diesem Tag lernten. Nur kurze Zeit später trafen wir auf eine völlig aufgelöste Tochter, die berichtete, dass ihr Vater, während sie auf der Toilette war, den gesamten Inhalt ihrer Handtasche aus dem Fenster geleert hatte. Arzt informieren. Psychiater einschalten. Er wurde zunehmend aggressiv. Uns und seiner Tochter gegenüber. Während meine Kollegin und ich also das Krankenhaus verließen, und in den Graben unter dem Fenster kletterten, um diverse Sachen der aufgelösten Tochter einzusammeln, schlug der Patient dem Psychiater die Brille aus dem Gesicht. „Kein Grund zur psychiatrischen Übernahme“ teilte er uns anschließend mit rotem Gesicht mit. Na klasse. Beim Tascheninhalt der Tochter fehlten Autoschlüssel und Kreditkarte, sie wollte selbst nochmal suchen und danach gehen. Sie könne das gerade alles nicht. Verständlich. 

Kaum zurück im Zimmer stellten wir fest, dass Herr S. sich mittlerweile im Badezimmer eingeschlossen hatte. Und während meine Kollegin den Notfall-Türschlüssel holen wollte, begann Wasser unter der Tür hervorzuquellen. Bis der Schlüssel gefunden war, stand das Wasser dann auch schon einen halben Zentimeter hoch im Zimmer. Gut zureden nützte nichts. 

Tür offen. Der Patient nur in Jeans, bewaffnet mit dem laufenden Duschkopf, mit kaltem Wasser, und einer Klobürste, auf die er fein säuberlich Rasierschaum gesprüht hatte, starrte er uns wütend an und bedrohte uns wüst nicht näherzukommen. Planlos standen also zwei Schwestern und ein Arzt vor dem wütenden Mann, der mittlerweile vor Kälte zitterte.

„Wir holen ihn da jetzt einfach raus“, meinte meine Kollegin optimistisch. 

„Ich glaube, wir sollten lieber ein paar Leute zum Helfen holen“, warf ich ein. Doch da war sie schon auf ihn zugegangen und bekam die Rasierschaum-Klobürste ins Gesicht geknallt. Lachen brach aus mir heraus. Die Situation war zu absurd. Wir erlebten jede Menge verrückte Situationen, aber diese war besonders schräg. Mithilfe von mehreren Pflegekräften von anderen Stationen bekamen wir den mitte achtzigjährigen schließlich entwaffnet. Nach ein wenig Sedierung entfernten wir die nasse Kleidung. In der Hosentasche fanden wir Kreditkarte und Autoschlüssel der Tochter. Sie hatte noch eine Stunde im Graben danach gesucht. 

© Shelly Further 2025-05-13

Genres
Novels & Stories