Es war für Konny das beste Seminar aller Zeiten, weil so viele dauerhafte Freundschaften entstanden sind. Thorben ist paar Mal bei Bernhard und Gundula in Augsburg und mit ihnen sogar in die Alpen gefahren. Konrad und Irmgard waren auch öfters dort, außerdem in Frankreich und in der Schweiz im Urlaub. Weiter weg hat es die zwei gleichaltrigen Steinböcke nie gezogen.
Irgendwann hatte Thorbi es satt, das Arbeitsklima auf seiner Station passte nicht mehr. Er wollte mit 62 vorzeitig in Rente gehen. Dafür war noch Geld für Rentenpunkte einzuzahlen. Da er eh vorhatte, wegzuziehen, kaufte ich ihm den Rest des Hauses ab. So konnte er den Dienst quittieren. Gelöst auf die elegante Tour!
Bernhard und Gundula Graf kennen sich, seit Gundi zwei Jahre alt war. Da trat Berni bei ihrem ersten Spielplatzbesuch mit ihrer Mutti schon als kleiner Beschützer des Mädchens aus der unmittelbaren Nachbarschaft auf. Beide hatten einige größere Geschwister. Der älteste Bruder von Bernhard wurde noch in Schlesien geboren. In der Schulzeit konnte Berni seiner kleinen Freundin viel helfen. Sie haben als Gymnasiasten in den Ferien Praktika in Münchner Kliniken absolviert. Während Gundi ihr Abitur baute, musste Berni zum Bund. Danach studierten beide Medizin. Für die Facharztausbildung als Chirurg bzw. Urologin und ihre spätere Berufstätigkeit gingen sie nach Augsburg, wo beide dringend gebraucht wurden. Sie hatten in ihren Arbeitsverträgen festhalten lassen, immer die gleiche Schicht haben zu dürfen. In der Nähe der Klinik war ihre kleine Wohnung. Berni war schwach in Rechtschreibung. Es fand sich immer eine zuverlässige Schwester für den Schreibkram, oft half auch seine Frau. Ein guter Arzt war er zweifellos.
Gundula und Bernhard sind als Rentner nach Görlitz gezogen. Sie hatten dort einen sehr netten Vermieter. Am Telefon war Bernhard sehr erstaunt, als ich mich unter der Nummer seines Berufskollegen meldete. Sie besuchten uns dann bald mal in Berlin. Thorben und ich statteten einen Gegenbesuch in Görlitz ab. Bernhard konnte mich seit dem Seminar in Straubing nie vergessen. Er wollte mich unbedingt wiedersehen, ich ihn nicht, weil er so provokativ herüberkam. Konny sagt, den Berni änderst du nicht mehr.
Die Enkel werden größer. Ich werde nicht mehr so gebraucht und fühle mich zurückgesetzt, habe, gesundheitlich angeschlagen, keine Aufgabe mehr, bin nicht mehr arbeitsfähig und werde schließlich depressiv. Mir wurde früher nachgesagt, kein Kind von Traurigkeit zu sein. Schlaftabletten hatte ich in letzter Zeit immer im Haus. In einer Art Kurzschlusshandlung versuche ich mich umzubringen. Mein Sohn findet mich rechtzeitig. Die Kinderchen wollen sie mir nun nicht mehr anvertrauen. Ein Arzt in der Klinik sagt mir, ich sei doch Psychologe, da könne ich mich selbst therapieren! Als ich mich nach einiger Zeit wieder gefangen habe, will ich bald 17 Jahre nach dem Seminar in Straubing doch mal nach München zu Konrad. Wir hatten einige Zeit kaum Kontakt. Der letzte Stand war, dass seine Frau krank ist.
© Annemarie Baumgarten 2024-12-21