Kontrast macht Freude

Heidelinde Balzarek

by Heidelinde Balzarek

Story

Da stand ich nun im Garten meiner Mutter und blickte etwas verstört um mich. Corona hatte mich in dieses Grün getrieben und ich stapfte nun mit meinen grellroten Plastikgartenschuhen, die ich einerseits als umweltschädlich und hässlich empfand, die aber andereseits so unheimlich praktisch waren, mit ebenso roten fleißigen Lieschen in den Händen los. Diese sollten dem verwunschenen Ort einen gewissen Glanz einhauchen. Kunst und Kultur lagen in diesen Tagen der Pandemie wie gelähmt in Wohnzimmern und digitalen Räumen. Meine Sehnsucht nach Schönheit brachte mich nun wider Erwarten in den Garten, zu dem ich keine unbeschwerte Beziehung entwickeln hatte können. Es war wohl immer der Garten der Anderen.

Mein erstes Lebensjahr durfte ich noch im Garten der Großeltern in der Einöde verbringen. Familiäre Spannungen vertrieben mich frühzeitig aus diesem scheinbaren Paradies, an das ich nur Fotoerinnerungen habe. Mein Babyblick erfreut sich winterlich gekleidet an herrlichen Ringelblumen. Mit leidenschaflicher Erkundungsfreude zerlege ich die Blütenpracht. Lebhafte Erinnerungen verbinde ich mit dem Schrebergarten meiner Linzer Großeltern zwischen Frankviertel und Voestgelände zwischen den Gleisen gelegen. Zuerst bewirtschaftete mein Großvater und nach seinem Tod meine Großmutter dieses Fleckchen fruchtbarer Erde. Ich mitten drin in all dieser Pracht, Ribisl und Stachelbeeren essend, Karotten ziehend, Gladiolen und Pfingstrosen bewundernd. Sämtliche Gartenfreuden waren mein. Ich eilte zum Zugbrunnen und goss die frisch gesetzten Pflänzchen und fühlte mich meinem kindlichen Gott sehr nahe.

Als Schulkind gab es das Thema Garten für mich nicht. Ich wuchs in einer niederösterreichischen Kleinstadt in Parks und Gärten auf, die ich nicht betreten durfte. In Oberösterreich hingegen war ich in der Natur. Besitz war aus meiner Perspektive nicht geregelt, keine Zäune schränkten meine Dynamik ein, alles war zugänglich und ich konnte meinen Abenteuergeist ausleben. Mit Sommerfreunden genoss ich die Gstettenspiele und – erkundungen, wobei sich dabei die Liebe zur Natur entwickelte. Die Tier- und Pflanzenwelt umwaberten mich und ich sog alles auf, was meine Sinne zuließen. Meine Mutter sah dies sehr kritisch und meinte: “Wie ein Hühnchen ließ ich dich in den Sommerferien frei und fing dich Ende August wieder ein. Ich wusste nicht, was du gemacht hattest!” Die Natur verschluckte mich quasi und ich durfte an all ihren Prozessen teilnehmen. Wildtier- und Insektenbeobachtung, sowie Pflanzenstudien jedlicher Art. All diese Herrlichkeiten an Düften und Geräuschen umfingen mich und ließen mich wachsen wie eine Pflanze. Im Herbst ging es wieder in die Bonsaischule zurück nach Niederösterreich.

Der elterliche Garten kam viel später, überraschend und ungeplant in mein Leben. In dieser bleiernen Coronazeit lächelte ich die fleißigen Lieschen an. Rot und Grün war doch der bestmögliche Kontrast.

© Heidelinde Balzarek 2021-04-25

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